Kampf gegen Vertuschung: WikiLeaks auf Ungarisch

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Journalisten in Budapest gehen mit einer Aufdeckerplattform ins Netz, um mehr Transparenz im öffentlichen Leben zu erzwingen. Website hat nichts Geringeres zum Ziel, als zum „ungarischen WikiLeaks” zu werden.

Budapest. Die aufsehenerregenden Enthüllungen von WikiLeaks haben offenbar auch in Ungarn Eindruck hinterlassen. Dies mag wohl daran liegen, dass der investigative Journalismus in den ungarischen Medien bis auf einige wenige Ausnahmen im Argen liegt.

Diesen Mangel will der Journalist und Universitätsdozent Tamás Bodoky nun mit einigen Journalistenkollegen ausmerzen. Vor wenigen Tagen gingen Bodoky und seine Gesinnungsgenossen mit einer Website online, die nichts Geringeres zum Ziel hat, als zum „ungarischen WikiLeaks” zu werden. Ihr Name: www.atlatszo.hu, was soviel heißt wie „transparent“.

Bodoky, der Chefredakteur der Website, sagt gegenüber der „Presse“, dass er und seine Kollegen sich in der „Rolle der Wachhundes“ sehen. Ihr Ziel ist es, sich einerseits für die „Sauberkeit des öffentlichen Lebens, andererseits für transparenten Umgang mit den Steuergeldern einzusetzen“.

Geschlossene Phalanx der Eliten

Was ihn und seine Mitstreiter bewogen hat, auf den Plan zu treten? „Wir hatten einfach genug davon, dass zahlreiche Ungereimtheiten des öffentlichen Lebens in Ungarn unbeleuchtet blieben oder von den Mächtigen vertuscht wurden“, sagt Bodoky. In Ungarn seien die Eliten aus Wirtschaft und Politik eng miteinander verbandelt.

Kriegt ein Journalist zum Beispiel Wind von zweifelhaften Vorgängen „da oben“, bilden die Mächtigen umgehend eine geschlossene Phalanx, von der der Aufdecker letztlich abprallt, so Bodoky. Das sei der Grund, warum die ganz großen Korruptionsskandale bisher nicht aufgedeckt wurden. Bodoky erklärt, dass auf ihrer Homepage neben selbst recherchierten Aufdeckergeschichten deshalb auch Informationen und Dokumente von öffentlichem Interesse publik gemacht werden, die ihnen völlig anonym zugespielt werden können.

Er und seine Kollegen wollen in Folge auch die Grenzen des ungarischen Rechts bis aufs Äußerste ausreizen, um bei den Behörden zu Informationen zu gelangen, die gesellschaftlich von Belang sind. „Wenn es sein muss, werden wir vor Gericht gehen, um an Dokumente zu gelangen, die wir gesetzlich einfordern dürfen“, gibt sich Bodoky kämpferisch.

Suche nach unabhängigen Sponsoren

Die Finanzierung von www.atlatszo.hu ist noch nicht gesichert. „Derzeit arbeiten meine Kollegen und ich ehrenamtlich“, sagt der Aufdecker-Journalist. Ziel sei es aber, Sponsoren an Land zu ziehen, um eine „richtige Redaktion“ betreiben zu können. Freilich: Auf die Unabhängigkeit legen er und seine Mitstreiter besonderen Wert. Es kommen also nur solche Geldgeber infrage, die nichts mit staatlichen Institutionen zu tun haben. „In erster Linie bauen wir auf die Spenden Privater sowie auf EU-Gelder und unabhängige Organisationen wie das Open Society Institute.“ Das Institut wird von dem aus Ungarn stammenden Milliardeninvestor George Soros finanziert.

Medienrechtler im Rücken

Gefragt danach, aus welchen Personen sich der Mitarbeiterstab des ungarischen WikiLeaks zusammensetzt, antwortet Bodoky, dass es ausnahmslos „freie Journalisten“ seien. Überdies hat www.atlaszo.hu auch ein Expertenteam im Rücken, angefangen von Anwälten über Ökonomen und Informatiker bis hin zu Medienrechtlern. Doch eine Auflage gilt für alle: Sie müssen politisch unabhängig sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2011)

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