AKW: Testen und Täuschen in Japan

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Symbolbild(c) AP (MANU FERNANDEZ)
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Tokio ordnet Stresstests für alle 54 Atomkraftwerke des Landes an. Man will neues Vertrauen gewinnen. Nach welchen Kriterien getestet werden soll, ist nicht klar. Neutrale Experten sind jedenfalls unerwünscht.

Tokio. Exakt vier Monate nach der Katastrophe im AKW Fukushima hat die japanische Regierung am Montag einen Stresstest für die 54 Atomkraftwerke des Landes angeordnet. Untersucht werden soll die Standfestigkeit gegen Erdbeben und Tsunami. Wann die Messungen beginnen, und wann die 35 derzeit ohnehin stillgelegten Meiler wieder ans Netz gehen sollen, sagen die Behörden nicht. Das zuständige Industrie- und Handelsministerium in Tokio teilte lediglich lapidar mit, es werde zwei Phasen des Stresstests geben. Alles andere hänge vom Ergebnis ab.

Der Regierung unter dem auf Abruf führenden Premier Naoto Kan geht es ganz offensichtlich darum, durch die Aktion neues Vertrauen zu gewinnen. Nach dem Desaster vom 11.März glaubt kaum noch ein Japaner den Angaben der Atomindustrie. Nicht nur der Fukushima-Betreiber Tepco, auch die angeblich unabhängigen Experten der Atomaufsicht Nisa sind in den Ruf geraten, Fehler vertuscht zu haben. So hat auch die Erklärung von Industrieminister Banri Kaieda, die Atomkraftwerke seien sicher, nur ungläubiges Kopfschütteln geerntet.

Kein Vertrauen in die Aufsicht

Nun geht die Regierung in die Offensive, wenn auch gebremst. Wenn nicht einmal klar ist, wer und wann, vor allem aber was genau getestet wird, spricht vieles für eine Beruhigungsspritze. Da Japan internationale Experten nicht zulässt, stammen die „Stress-Experten“ offenbar aus der Nisa. Es hat sich aber durch andauerndes Vertuschen der tatsächlichen Gefahren für die meisten Japaner hinlänglich erwiesen, dass diese staatliche Aufsicht ihren Namen nicht wirklich verdient. Sie gehört als Behörde zum Industrieministerium, einem der stärksten Befürworter für die „Unverzichtbarkeit von Atomstrom“ für Japan.

Kaum ein Japaner weiß, dass die Nisa sogar personell mit Tepco verbandelt ist. Derzeit wirken in der Aufsichtsbehörde mindestens 80Mitarbeiter, die zuvor Angestellte des Versorgers waren. Im Gegenzug delegierte das Ministerium Beamte, die sich für den Ausbau der Atomenergie eingesetzt hatten, nach deren Pensionierung auf lukrative Posten in der Stromindustrie, unter anderen zu Tepco.

Fertig werden muss Japan nun mit Engpässen bei der Energieversorgung. In Tokio wurde der Strom für Unternehmen bereits rationalisiert, auch Haushalte wurden aufgefordert, mindestens 15 Prozent Energie zu sparen. Vom 24. Juni an wird die ostjapanische Eisenbahngesellschaft in Tokio und Umgebung die Zahl ihrer Züge reduzieren. In den U-Bahnen werden im Juli zu bestimmten Zeiten die Klimaanlagen ausgeschaltet. In der aktuellen Sommerhitze soll nach dem Willen vieler AKW-freundlicher Politiker der Widerstand gegen Nuklearstrom wegschmelzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2011)

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