Radfahrer sollen auch auf dem Ring fahren

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Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) und Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) wollen die Pflicht, Radwege zu nutzen, streichen. Bures will bestimmte Straßen als „Fahrradstraßen“ deklarieren.

Wien/Gr/Apa. „Es ist wie verhext“, sagt Maria Vassilakou: Da will die grüne Wiener Vizebürgermeisterin im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag zeigen, dass die Kapazität der Radwege am Ring erschöpft sei – und ausgerechnet dann treten nur ganz vereinzelt Biker entspannt durch die Allee beim Café Landtmann.

„Normalerweise fahren hier täglich bis zu 7000 Radfahrer vorbei“, sagt Vassilakou – was trotz der Errichtung der zweiten Spur, mit der der Ring ab kommendem Jahr beidseitig über Radwege befahrbar sein wird, zu viel sei. Die Folge: Auf den Radwegen gebe es ein hohes Unfallrisiko, weil sich dort Radfahrer unterschiedlichster Ausstattung und Könnens auf einem engen Korridor bewegen – vom Schulkind über Fahrradboten bis zu Pensionisten auf E-Bikes.

Wahlweise Radweg oder Straße

Um diese Situation zu entschärfen, will Vassilakou den Radverkehr „entflechten“. Eine Verbündete hat sie dafür in Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) gefunden: Sie hat gestern angekündigt, eine Novelle zur Straßenverkehrsordnung in Begutachtung zu schicken, mit der den Bundesländern freigestellt wird, ob auf ihren Straßen die „Radwegbenützungspflicht“ gelten soll – oder eben nicht.

Derzeit handeln sich Radfahrer nämlich eine Strafe ein, wenn sie auf einer Straße unterwegs sind, neben der es auch einen Radweg gibt, den sie stattdessen nutzen könnten. Eben diese Regelung sollen die Behörden in Zukunft für das gesamte Landesgebiet oder für einzelne Straßenzüge aussetzen können – eine Möglichkeit, von der der Magistrat in Wien ausgiebig Gebrauch machen wird.

In der Praxis heißt das, führt Vassilakou aus, dass Wien – so die Novelle wie geplant noch in diesem Jahr beschlossen wird – „für alle bis auf einige wenige Straßen“ die Radwegpflicht aufheben wird, um deren Kapazität zu schonen. „Wir können derzeit gar nicht so schnell Radwege bauen, da sind sie schon wieder überfüllt“, so die Vizebürgermeisterin. Auf dem Ring etwa sollen sich dann Radfahrer auch auf den drei – bisher ausschließlich Autos vorbehaltenen – Fahrspuren in der Mitte fortbewegen dürfen, zusätzlich zu den beiden Radwegen.

Ob nicht die Unfallgefahr dadurch steigen würde, dass sich dann Radfahrer erst wieder zwischen Autokolonnen hindurchschlängeln würden? Nein, sagt Vassilakou: Dadurch, dass die Radler sich die Fahrbahn mit den Autofahrern teilen würden, steige deren Aufmerksamkeit – außerdem würden sich vor allem schnelle, geübte Biker auf der Straße bewegen: Für gemütlichere Radler bleibe ohnehin der Radweg.

Fahrradstraßen mit Bike-Vorrang

Eine weitere Maßnahme, die Bures zur „Stärkung des Radverkehrs“ angekündigt hat, ist die Möglichkeit, bestimmte Straßen als „Fahrradstraßen“ zu deklarieren, die zwar von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden dürfen, auf denen Biker aber Vorrang haben. Auch diese Möglichkeit soll in der StVO-Novelle enthalten sein. Ob und wann sie beschlossen wird, hängt jetzt vor allem von der ÖVP ab: Man werde die Vorlagen von Bures genau prüfen, heißt es aus dem Büro von VP-Verkehrssprecher Martin Bartenstein. Zuletzt hatte die ÖVP die Pläne abgelehnt.

Über die legistischen Maßnahmen hinaus wollen Bures und Vassilakou in den kommenden Jahren auf verstärkte Information und verbesserte Infrastruktur setzen, um den Anteil der Menschen zu erhöhen, die Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegen. Ersteres soll etwa durch eine neue Broschüre des Infrastrukturministeriums erreicht werden, die sich gezielt an Bürgermeister kleinerer Gemeinden richtet: Darin enthalten sind 95 Vorschläge zur Förderung des Radverkehrs, von der kostenmäßigen Aufschlüsselung der Errichtung eines Radweges bis zum Bau beleuchteter Abstellplätze. Bei der Umsetzung solcher Maßnahmen greift das Ministerium den Gemeinden mit einem neuen, mit 1,9 Mio. Euro dotierten Fonds unter die Arme.

Dass es in diesem Bereich noch viel Verbesserungspotenzial gebe, zeige sich im Vergleich mit anderen Ländern: Während die Vorarlberger jährlich rund 491 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen, sind es in Wien nur 178.

Tangente für Radrennen gesperrt

Um diesen Anteil zu steigern, will Vassilakou die Kompetenzverteilung zwischen Stadt und Bezirken neu ordnen: Während sie den Bezirken in lokalen Gestaltungsfragen mehr Macht geben will, sollten etwa Radwege zentral geplant werden können. Eine neue Sicht auf Verkehrsräume sollen auch gelegentliche Sperren ganzer Straßenzüge bringen, etwa während Veranstaltungen: So werde die Südosttangente an einem Sonntag im September gesperrt – für einen Radmarathon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2011)

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