Justiz: Die lange Liste der NS-Schergen

(c) AP (Bela Szandelszky)
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Der ehemalige ungarische Polizeioffizier Sandor Kepiro war laut Wiesenthal-Zentrum Nummer eins der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Die Ermittlungen in einigen Ländern ziehen sich oftmals über Jahre hin.

Budapest/Wien/Had. Der ehemalige ungarische Polizeioffizier Sandor Kepiro galt als Nummer eins der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Nummer zwei war Milivoj Ašner, der vor wenigen Wochen in einem Pflegeheim in Klagenfurt verstarb. Damit muss das 1977 in Los Angeles gegründete Simon-Wiesenthal-Zentrum seine Liste der noch flüchtigen NS-Verbrecher früher als geplant aktualisieren.

Wegen Demenz hatte Österreich Ašner nicht an Kroatien ausgeliefert, wo er wegen Kriegsverbrechen angeklagt war. Ephraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, warf der österreichischen Justiz damals „völliges Versagen“ vor. Nochmals fordert Zuroff alle Staaten zur Fahndung und Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher auf.

Kein leichtes Unterfangen, da sich die Ermittlungen in einigen Ländern oft über Jahre hinziehen. Vielen der über neunzigjährigen Angeklagten bleibt die Haftstrafe „aus Alters- und Gesundheitsgründen“ erspart: Algimantas Dalide, ein früherer litauischer Sicherheitsbeamter, wurde von den USA an Litauen ausgeliefert und dort verurteilt. Seine Haftstrafe musste er aber aufgrund seines Gesundheitszustands nie antreten.

Seit 2003 ist Österreich an der „Operation Last Chance“ beteiligt, die von neun Staaten, darunter Deutschland, Ungarn und Estland, unterstützt wird. Ermittlungen und Verfahren gegen mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher laufen auch in den USA und Australien, wo Ungarn schon seit 2005 die Auslieferung Karoly (Charles) Zentais beantragt. Zentai muss sich für die Ermordung des 18-jährigen Péter Balázs verantworten, den er 1944 zu Tode geprügelt haben soll, da dieser den gelben Judenstern nicht getragen hatte. Ein Gericht in Perth prüft derzeit Zentais letzten Einspruch.

„Nur Spitze des Eisbergs“

Die Liste sei „nur die Spitze des Eisbergs“, betont Ephraim Zuroff. Einige NS-Kriegsverbrecher konnten nie gefasst werden und sind mittlerweile vermutlich verstorben. Dazu zählt der ehemalige österreichische SS-Hauptsturmführer Alois Brunner. Zuletzt wurde der „Ingenieur der Endlösung“ im Jahr 2001 in Syrien gesichtet.

Der frühere KZ-Arzt Aribert Heim, in Mauthausen als „Doktor Tod“ bekannt, soll bereits 1992 in Kairo verstorben sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19. Juli 2011)

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