Grenzposten: Brüssel rügt Dänemark

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Die Innenkommissarin der Europäischen Union, Cecilia Malmströ, kritisiert die dänischen Zollkontrollen als planlos sowie unstrukturiert und droht der Regierung in Kopenhagen jetzt mit juristischen Schritten.

Brüssel. Der Streit zwischen der Europäischen Kommission und der dänischen Regierung um die Einführung von Grenzkontrollen wird schärfer. Am Montag warf EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström den dänischen Behörden vor, für chaotische Zustände an den Grenzen zu Deutschland und Schweden zu sorgen, weil die Einführung von verschärften Zollkontrollen schlecht geplant sei.

„Vor allem die Risikoeinschätzung, die nötig war, um die Kontrollen zu rechtfertigen, war nicht ausreichend“, erklärte Malmström in einer schriftlichen Mitteilung an die Medien, die einer Vor-Ort-Mission von Kommissionsexperten in Dänemark folgte. „Es gab keine klaren Anweisungen an die Grenzbeamten, wie die Kontrollen auszuführen sind. Es scheint auch kein strukturiertes Berichtswesen über die Zahl der Kontrollen und die Ergebnisse zu geben.“

Dänisches Wahlkampfgeplänkel

Die Kommissionsbeamten waren vergangene Woche bei Vor-Ort-Prüfungen und Gesprächen mit den dänischen Behörden dem Verdacht nachgegangen, dass die offiziell als Zollkontrollen bezeichneten Maßnahmen in Wirklichkeit eine versteckte Wiedereinführung von Personenkontrollen an Dänemarks Grenzen sind.

Grenzkontrollen darf ein Land, dass wie Dänemark den Schengener Grenzkodex eingeführt hat, aber nur „im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ wieder einführen, und auch dann nur ausnahmsweise und bloß für jeweils 30 Tage beziehungsweise so lange, wie die schwerwiegende Bedrohung anhält. Knapp drei Dutzend Mal haben die Schengen-Länder das bereits getan, es ging dabei stets um Großereignisse wie die Fußball-WM 2006 in Deutschland, die Fußball-EM zwei Jahre später oder zuletzt das Weltwirtschaftsforum in Wien.

Die dänischen Zoll- beziehungsweise Grenzkontrollen hingegen haben einen rein innenpolitischen Grund. Die Mitte-rechts-Regierung unter Premierminister Lars Løkke Rasmussen ist auf die Unterstützung der rechtspopulistischen Danske Folkeparti unter Parteichefin Pia Kjærsgaard angewiesen. Sie ringt den Regierungsparteien regelmäßig Zugeständnisse in Sachen Zuwanderung, Asylpolitik und Polizei ab.

Spätestens bis Ende November müssen wieder Parlamentswahlen stattfinden. Politische Beobachter werten die Zollkontrollen daher als zeitweilige, dem Wahlkampf geschuldete Geste der Regierung an den rechten Rand des Wählerspektrums, die nach den Wahlen sang- und klanglos zurückgezogen werden.

Denn aus europapolitischer Sicht betrachtet kommt der Streit mit Brüssel für die dänische Regierung zum ungünstigsten Zeitpunkt. Am 1.Jänner 2012 übernimmt Dänemark den sechsmonatigen Vorsitz im Rat der EU. Ein Streit, der möglicherweise sogar in ein Vertragsverletzungsverfahren entgleiten könnte, wäre überaus peinlich.

Und so eine harte juristische Sanktion behält sich Brüssel in der Hinterhand. „Die Kommission wird nicht zögern, alle Werkzeuge zu verwenden, die ihr zur Verfügung stehen, um die freie Bewegung von Waren, Dienstleistungen und Personen und den vollen Respekt der EU-Gesetzgebung zu garantieren“, warnte Kommissarin Malmström.

Mikl-Leitner nicht bei Ministerrat

Die Reform der Schengen-Regeln sowie der Stand der Dinge bei der Schaffung eines gemeinsamen EU-Asylwesens waren auch Gegenstand des informellen Treffens der EU-Innenminister im polnischen Seebadeort Sopot. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) blieb diesem Treffen, das dem Ideenaustausch und der Vorbereitung des nächsten formellen Ministerrates in September diente, fern und ließ sich durch eine Ministerialbeamtin vertreten.

Auf einen Blick

Am 13.Mai schickte EU-Kommissionschef Barroso einen geharnischten Brief an Dänemarks Regierungschef Løkke Rasmussen, in dem er Aufklärung über die neuen Zollkontrollen einforderte. Vergangene Woche machten sich EU-Beamte in Dänemark ein Bild – das verheerend für Kopenhagen ausfiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2011)

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