Jahrhundertprojekt „Leben am Wasser“, erhält in der deutschen Hansestadt Hamburg eine völlig neue Bedeutung. Mitten in der City entsteht ein urbaner und luxuriöser Stadtteil, direkt am Wasser.
Hamburg. Die Hansestadt Hamburg zelebriert das Motto „Leben am Wasser“ exzessiv. Rund 800 Meter vom Rathaus entfernt entsteht auf nicht mehr genutzten Hafenanlagen ein europäisches Prestigeprojekt, an dem 25 Jahre lang gebaut wird: die Hafencity.
Auf 157 Hektar Fläche werden 5800 Wohnungen für 12.000 Menschen, Betriebsflächen bzw. Büros für 45.000 Arbeitsplätze, Gastronomie, Freizeit- und soziale Einrichtungen errichtet – also ein urbanes Gebiet entlang einer 10,5 Kilometer langen Kaipromenade. Was die Hafencity einzigartig macht: Insgesamt wird die Fläche der Hamburger Innenstadt durch dieses Monsterprojekt um 40 Prozent erweitert.
Nicht nur die Dimensionen der neuen Stadt am Wasser sind beeindruckend. Auch die Architektur, die internationale Standards setzen soll. Beispielsweise wird das Gebiet im Westen durch die Elbphilharmonie markiert. Dieses Konzerthaus, das seit 2007 in Bau ist, entsteht auf einem alten Speicher. Neben drei Konzertsälen befinden sich in dem architektonischen Vorzeigeprojekt auch Wohnungen, ein Hotel und eine öffentlich zugängliche Plaza auf 37 Meter Höhe. Im Juni 2013 soll der große Konzertsaal bespielbar sein.
Das internationale maritime Museum dagegen ist bereits seit Sommer 2008 in Betrieb – ein „Schifffahrtsmuseum von Weltrang“, wie es bei der Eröffnung hieß. Die Sammlung zählt über 40.000 Einzelstücke, der Bereich der historischen Marineuniformen und -auszeichnungen gilt als die bedeutsamste Sammlung weltweit.
Die historische Speicherstadt und alte Hafenstrukturen bleiben trotz Neugestaltung erhalten. „Mit der Hafencity wird die Identität Hamburgs als maritime Stadt fortgeschrieben“, meint Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der Hafencity.
Wohnungen nur für Reiche
Architektonisch und städtebaulich strahlt die Hafencity, die eine große Schattenseite besitzt: Exklusives Wohnen am Wasser wird es hauptsächlich nur für wohlhabende Hamburger geben.
Nachdem Hamburg kaum sozial geförderte Wohnungen errichtet (im Vorjahr waren es rund 300, während Wien jährlich rund 6500 baut), werden sozial Schwächere bei Mietpreisen von etwa 20Euro/m2 kaum Chancen haben, in den Genuss des neuen urbanen Stadtteils am Wasser zu kommen. Denn viele Flächen sind für Luxuswohnungen reserviert.
Um eine soziale Durchmischung zu erreichen, sind in der Hafencity zwar ein Drittel der Wohnungen für den geförderten Wohnbau reserviert. Nur: Im Gegensatz zu Wien laufen diese Förderungen nach 15 Jahren aus, die Mieten steigen dann massiv – sozial Schwache müssen ausziehen. Dazu kommt, dass durch den Aufschwung der Hafencity in angrenzenden Gebieten wie St. Pauli die Wohnungspreise massiv angezogen, Spekulanten viele Häuser abgerissen und Neubauten errichtet haben – mit Mietpreisen, die sich an der Hafencity orientieren. Als Folge wird die bisherige Wohnbevölkerung de facto vertrieben – weil St.Pauli keine günstigen Wohnungspreise mehr bieten kann.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2011)