Während die ÖVP die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen will, legen die Grünen eine Charta für Offenheit vor. Attentat von Norwegen könnte in Österreich auch zu einer Diskussion über den Besitz von Waffen führen.
Wien/Apa/Red. In der Frage, ob Österreich rechtliche Konsequenzen aus den Terroranschlägen in Norwegen ziehen solle, herrscht Uneinigkeit zwischen den Parteien. Während sich die Regierungsriege der ÖVP am Dienstag fast geschlossen für eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen aussprach und Teile der SPÖ sich weiter skeptisch zeigten (siehe dazu Bericht auf Seite eins) legten die Grünen eine „Charta für mehr Offenheit, Demokratie und Humanität“ vor.
Darin sprechen sie sich gegen Rassismus aus und fordern eine Selbstverpflichtung der Parteien, in Wahlkämpfen oder Kampagnen „jede Form der sprachlichen Herabwürdigung von Menschen oder des Missbrauchs von ethnischen Gruppen oder Religionen als Feindbilder zu unterlassen“.
Die Charta wurde am Dienstag an die Parteichefs und Klubobleute der vier anderen Parlamentsparteien weitergeleitet. Die Grünen streben eine Fünf-Parteien-Übereinkunft an, wie Bundessprecherin Eva Glawischnig und Vize-Klubobmann Werner Kogler in einer Pressekonferenz erklärten. Wie die Chancen stünden, dass die FPÖ mitziehe? „Schwer zu sagen“, meinte Glawischnig. Sie hoffe aber, dass es auch bei den Freiheitlichen „vernunftbegabte Menschen“ gebe, die „zumindest darüber nachdenken“.
Zur Überwachung der Charta schlagen die Grünen eine unabhängige Menschenrechtskommission vor, wie es sie bereits vor der steirischen Landtagswahl im Herbst 2010 gegeben habe. Die Kommission solle aufpassen, dass die Mindestregeln eingehalten werden, und im Falle eines Verstoßes sofort an die Öffentlichkeit gehen. Auch Sanktionen für die Parteien könnten angedacht werden, sagte Glawischnig: zum Beispiel die Kürzung der Parteienförderung oder der Wahlkampfkosten-Rückerstattung.
Von den Freiheitlichen kam sogleich eine Absage: „Ein Meisterstück grüner Scheinheiligkeit“ nannte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl die „sogenannte Charta“. Hier werde „auf billigste und unmoralische Art“ versucht, auf dem Rücken der Opfer „politisches Kleingeld zu wechseln“.
Justizministerin will schärfere Strafen
In der ÖVP machten sich inzwischen mehrere Minister für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen stark. Es brauche klare strafrechtliche Bestimmungen, etwa bei der „Anleitung zu terroristischen Straftaten“, sagte Justizministerin Beatrix Karl vor der Ministerratssitzung. „Da haben wir noch Lücken.“ Die Details müssten zwar noch mit dem Koalitionspartner vereinbart werden – als Strafrahmen kann sich Karl allerdings schon jetzt „bis zu zwei Jahre Haft“ vorstellen.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz beschworen abermals eine „Abrüstung der Worte“. Einen Adressaten für diese Forderung nannten beide nicht explizit. „Man sollte aufpassen, wem man die Schuld für solche Anschläge gibt. Hetze ist in der Moschee genauso schlecht, wie sie im Bierzelt ist“, sagte Kurz in Anspielung auf die FPÖ. In einer Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen sieht er jedenfalls keinen Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft.
Psychologen: Neue Tests für Waffenpass
Das Attentat von Norwegen könnte in Österreich auch zu einer Diskussion über den Besitz von Waffen führen. Der Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) forderte am Dienstag eine Aktualisierung der psychologischen Tests bei der Waffenpassbegutachtung. „Sie entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft und sind völlig veraltet“, erklärte Verbandspräsidentin Ulla Konrad in einer Aussendung.
Der BÖP hat ein Konzept für die Modernisierung der Tests ausgearbeitet und an das Innenministerium weitergeleitet. Künftig sollen Antragsteller schwerer zu positiven Gutachten kommen, erklärten die Experten. Die Psychologen schlagen mehrere Testvarianten vor. Damit solle verhindert werden, dass psychisch auffällige Personen mehrmals bei verschiedenen Gutachtern antreten und sich so auf den Test vorbereiten können. Derzeit ist für den Erwerb eines Waffenpasses ein Gutachten darüber nötig, dass der Antragsteller nicht dazu neigt, unvorsichtig mit Waffen umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Eine Waffenbesitzkarte berechtigt zum Besitz von Waffen, ein Waffenpass zum Mitführen.
Auf einen Blick
Eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen forderten am Dienstag die meisten ÖVP-Minister. Justizministerin Beatrix Karl will den Strafrahmen bei der Anleitung zu terroristischen Straftaten erhöhen: „Da haben wir noch Lücken.“
Eine „Charta für mehr Offenheit, Demokratie und Humanität“ legten die Grünen vor. Darin verlangen sie eine Selbstverpflichtung der Parteien, in Wahlkämpfen „jede Form der sprachlichen Herabwürdigung von Menschen zu unterlassen“.
Neue psychologische Tests für den Waffenschein hält der Berufsverband der Psychologen (BÖP) für notwendig. Die derzeitige Methode sei „völlig veraltet“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2011)