Golowatow-Affäre: Polizeiakt stellt Regierung bloß

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Wurde für die Freilassung des KGB-Offiziers interveniert? Die Regierung bestreitet das vehement. Im Polizeiprotokoll steht das Gegenteil.

Der Grüne Peter Pilz hat heute ein Polizeiprotokoll zur Freilassung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Michail Golowatow vorgelegt. Der Inhalt zieht die Aussagen der Bundesregierung zu dem Fall - vorsichtig formuliert - in Zweifel ziehen. Bundeskanzler Werner Faymann und sein Vize Michael Spindelegger hatten im Fall Golowatow stets von einer "unabhängigen Entscheidung unabhängiger Behörden" gesprochen. Und interveniert habe von russischer Seite für den KGB-Mann niemand, behauptete neben Karl auch Johann Kyrle, der Generalsekretär im Außenministerium.

--> das brisante Polizei-Protokoll

  • Die Regierung behauptet auch, dass sich kein Ministerium in den Fall Golowatow eingemischt hat. Pilz: "Eine glatte Lüge." Um 22.15 Uhr teilt der Journalstaatsanwalt laut Protokoll mit, dass  "in höheren Kreisen eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise herbeigeführt wird". Zwei Stunden später präzisiert er seine Angaben: Ihm sei "schriftlich und mündlich die Entscheidungsfindung im Außen- bzw. Justiziminsterium zugesagt" worden. Allerdings liege ihm noch nicht vor.
  • Hat Russland für Landsmann Golowatow interveniert? Die Bundesregierung bestreitet auch das. Im Polizeiprotokoll liest sich der Fall aber etwas anders. Der russische Botschafter trifft um 21.30 Uhr in der Dienststelle ein und verlangt den Journalstaatsanwalt. Um 3.05 Uhr früh kommt die Weisung, dass Golowatow in die Justizanstalt nach Korneuburg zu verbringen ist. Der russische Botschafter reißt Oberstaatsanwalt Werner Pleischl aus dem Schlaf. Protkoll-Eintrag um 03.20 Uhr: "Gespräch des Herrn Botschafters mit dem Oberstaatsanwalt Dr. Pleischl. Dem Ersuchen des Botschafters, von einer Einlieferung in die JA-Korneuburg (Anm.: Justizanstalt) abzusehen, wird stattgegeben".

Pilz ortet eine Komplizenschaft der Justiz mit einem Mordverdächtigen: "Etwas schlimmeres kann man ihr eigentlich nicht vorwerfen." Wie berichtet, soll Golowatow als Kommandant der sowjetischen Sondereinheit "Alpha" für die Erschießung von 14 Aktivisten bei der Erstürmung des Vilniuser Fernsehturms im Jänner 1991 verantwortlich sein. Die Grünen fordern jetzt eine "lückenlose Aufklärung" der Umstände seiner Freilassung und einen Untersuchungsausschuss. "Ohne das wird's nicht gehen", so Pilz.

Karl wehrt sich weiter gegen Vorwürfe

Justizministerin Beatrix Karl beharrt aber weiter darauf, dass Österreich "rechtmäßig gehandelt hat". "Hier wird ein Skandal darüber konstruiert, dass österreichisches Recht angewendet wurde", empört sich die Ministerin. Karl bestreitet weiter, dass sich Österreich Druck aus Moskau gebeugt hat.

Heikle Passage "ersatzlos gestrichen"

Dabei hatte auch Golowatow nach seiner Freilassung den Einsatz des russischen Botschafters in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Rai Novosti gerühmt. Das online abrufbare Interview wurde jetzt aber offenbar entschärft und die heikle Passage "Der Botschafter war in ständigem Kontakt mit dem Staatsanwalt der Republik Österreich, dem stv. Außenminister und dem Diensthabendem im Innenministerium (MVD)" "ersatzlos gestrichen".  Das berichtet Russland-Experte und Politologe Gerhard Mangott am Freitag. Doch auch die Reste des Golowatow-Zitats deuten eine Intervention an: "Der Botschafter blieb bis 5 Uhr früh bei uns. Sein kompetentes Handeln hat wesentlich dazu beigetragen, die Lage unter Kontrolle zu halten."

Auszüge aus dem Protokoll

16.45 Uhr: Aufgriff bei der Einreisekontrolle am Gate C 35 nach der Ankunft mit der OS 602, ankommend aus Moskau.

19.30 Uhr: Rückruf des Journalstaatsanwalts Mag. Vesely bei der hs. Dienststelle und Anordnung der Festnahme.

20 Uhr: Eintreffen des Botschaftsrates der ständigen Vertretung der Russischen Föderation bei den Internationalen Organisationen in Wien, Dr. Peter L. Kudinova, in der hs. Dienststelle (Anm.: Golowatow wird dort festgehalten).

21.30 Uhr: Eintreffen des Botschafters der Russischen Föderation in Österreich, Herr Nechaev Sergey in der hs. Dienststelle, ebenso Eintreffen des Botschaftsrates und Leiters der Konsularabteilung, Hr. Mossin Nikolay

21.45 Uhr: Der Botschafter, Hr. Nechaev, wünscht die telefonische Kontaktaufnahme mit dem Journalstaatsanwalt Mag. Vesely.

22.15 Uhr: Telefonische Mitteilung des Mag. Vesely, dass bezüglich der weiteren Vorgangsweise in höheren Ebenen eine Entscheidung herbeigeführt wird.

0.15 Uhr: Telefonische Mitteilung des Mag. Vesely, dass bezüglich der weiteren Vorgangsweise in höheren Ebenen eine Entscheidungsfindung im Außen- bzw. Justizministerium zugesagt wurde, ihm jedoch diesbezüglich noch nichts vorliegt.

3.05 Uhr: Anruf des Leiters des EKC, Hr. Stocker, in der hs. Dienststelle und Weisung, dass Golovatov in die Justizanstalt nach Korneuburg zu verbringen ist.

3.15 Uhr: Der Botschafter, Dr. Nechaev, wünscht, dass Golovatov nicht in die Justizansstalt verbracht wird und ersucht über telefonische Intervention beim Journalstaatsanwalt Mag. Vesely, den zuständigen Oberstaatsanwalt zu sprechen.

3.20 Uhr: Gespräch des Herrn Botschafters mit dem Oberstaatsanwalt, Dr. Pleischl. Dem Ersuchen des Botschafters, von einer Einlieferung in die JA-Korneuburg abzusehen, wird stattgegeben, weiteres in Kürze telefonisch.

3.50 Uhr: Anruf von Dr. Pleischl in der hs. Dienststelle mit dem Ersuchen, Golovatov bis zur Entscheidung über die weitere Vorgangsweise im Laufe des Vormittages (Enthaftung oder Verbringung in die JA-Korneuburg) in der hs. Dienststelle anzuhalten.

5.15 Uhr: Der Reispass des Golovatov wird bis zur weiteren Entscheidung bezüglich Enthaftung oder Einlieferung in JA-Korneuburg in der hs. Dienststelle hinterlegt, von der Erstellung eines Haftberichts wurde aufgrund der Sachverhaltslage - Anhaltung in der hs. Dienststelle - Abstand genommen.

(Red.)

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