Steger: "Menschen haben Recht, Ängste zu äußern"

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Die rechtspopulistische Stimmung sei keine Erklärung für den Terror in Norwegen, sagt Ex-Vizekanzler Steger. Alle Politiker sollten eine Partnerschaft mit dem "echten Islam" suchen. Die FPÖ steht ihm zu weit rechts.

Die Presse: Glauben Sie, dass die Stimmung, die rechte Parteien in Europa verbreiten, der Nährboden für die Attentate in Norwegen war?

Norbert Steger: Ein Mensch, der so etwas macht, muss eine schwere Störung haben. Ich glaube nicht, dass man Irrationales immer rational erklären kann.

Ideologisch jedenfalls hat sich der mutmaßliche Täter einiger Rechtspopulisten bedient – das belegt sein 1500 Seiten dickes Manifest.

Auch Nietzsche war nicht davor gefeit, von der NSDAP verwendet zu werden. Kein Mensch ist davor gefeit, dass irgendetwas, was er denkt, von jemand anderem missbräuchlich verwendet wird. Tatsache ist, dass es gefährlich wird, wenn der einfache Wähler den Eindruck hat, dass Probleme nicht mehr angesprochen werden dürfen.

So argumentieren jetzt auch die Rechtsparteien. Sie nehmen eine Art Opferrolle ein, indem sie sagen, man dürfe sich trotz der Tragödie in Norwegen den Mund nicht verbieten lassen.

Das ist doch keine Opferrolle. Die Menschen haben das Recht, ihre Ängste auszudrücken.

Welche Ängste meinen Sie? Die Angst vor Zuwanderern? Vor dem Islam?

Wenn sich etwa der Arbeiter, der Arbeitslose fürchtet, dass er auf dem Arbeitsmarkt chancenlos ist. Das sind Lebensängste. Wenn diese Probleme von der Politik verdrängt werden, ist der Nährboden für Narren gegeben. Und einen Menschen, der auf andere schießt, kann man nur als narrenhaft bezeichnen.

Nimmt die Politik die Probleme der Menschen nicht ernst genug?

Die Menschen haben immer mehr das Gefühl, dass ihnen nicht zugehört wird. Dabei wäre es die Aufgabe der Regierungen, Antworten zu geben. Die Zahl jener, die aus ideologischen Gründen wählen, nimmt stark ab. Am Ende geht es ums konkrete Leben.

Aber Ihre Partei, die FPÖ, gibt auch keine Antworten. Sie spricht vorhandene Probleme nur auf sehr fragwürdige Weise an.

Sie stellt die richtigen Fragen. Es ist nicht die primäre Aufgabe der Opposition, auch die Antworten zu haben. Aber wenn sie sie hat, dann ist es natürlich schön.

„Daham statt Islam“ oder „Pummerin statt Muezzin“ sind weder Fragen noch Antworten, sondern Wortspiele, die niedrige Ängste bedienen sollen.

Ja, das sind zugespitzte Aussagen, die ich so nicht treffen würde.

In Österreich fordern die Parteien einander jetzt zur verbalen Abrüstung auf. Gemeint ist vor allem die FPÖ. Sehen Sie da Handlungsbedarf?

Ich glaube nicht, dass es in Österreich so radikal zugeht – von den Wahlkämpfen einmal abgesehen, in denen meine Nachnachnachfolger nicht zuletzt deshalb erfolgreich sind, weil sie zuspitzen. Ich bin da aufseiten jener, die sagen, es brauche mehr Offenheit. Und wenn ab und zu ein Blödsinn geredet wird, dann ist das eben so. Wir halten viel mehr aus, als wir uns selber zutrauen.

Blödsinn reden ist ein gutes Stichwort: War es richtig, den Tiroler Abgeordneten Werner Königshofer aus der FPÖ auszuschließen?

Ich kenne Herrn Königshofer nicht und finde auch nicht, dass er wichtig ist. Wie ich höre, war das Hauptproblem, dass er immer wieder Blödheiten gemacht hat, obwohl er schon mehrmals verwarnt wurde.

Heinz-Christian Strache hat den Ausschluss Königshofers damit begründet, dass seine Aussagen in krassem Widerspruch zu den Überzeugungen der FPÖ stünden. Dabei ist Strache selbst alles andere als zimperlich mit dem Islam.

Ich appelliere an alle Politiker, eine Partnerschaft mit dem echten Islam zu suchen. Er brächte tolle Chancen. Der radikale Islam hingegen vernichtet Ressourcen und unterdrückt Frauen. Es steht uns gut an zu sagen, diese Verfehlungen wollen wir nicht.

Aber Ihre Partei nützt diese Verfehlungen, um politisches Kapital daraus zu schlagen.

Das sehe ich manchmal auch so. Aber ich sage es den Leuten dann, wenn ich meine, dass überdreht worden ist.

Wann wurde überdreht?

Bei diesem vertrottelten Grazer Moscheenspiel zum Beispiel.

Ist Königshofer nicht bloß ein Bauernopfer, damit wieder Ruhe einkehrt und Strache den Kanzleranspruch stellen kann? Konsequenterweise hätte er nämlich auch einige von Königshofers Geschwistern im Geiste ausschließen müssen, wenn er das staatstragende Gesicht der FPÖ wahren will.

Strache hat zumindest bisher nicht die Fehler Jörg Haiders gemacht hat. Man kann nicht Kanzler werden, wenn man die ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich lobt.

Aber kann man Kanzler werden, wenn man Leute wie Susanne Winter, die Mohammed als Kinderschänder bezeichnet hat, im Nationalrat duldet?

Ich kenne diese Leute nicht und kann nur sagen: Die Menschen wollen keine Radikalismen. Als Partei muss man sich so verhalten, dass man mit jeder anderen wenn schon nicht koalieren, so zumindest reden kann.

Mit der FPÖ will keine Partei zusammenarbeiten.

Das bereitet mir auch Sorgen. Wir sollten ein offenes Gesprächsklima miteinander pflegen.

Vielleicht hat diese Ablehnung mit den vielen Burschenschaftern in der FPÖ zu tun, die nicht eben gut beleumundet sind.

Das allein ist es nicht. Aber ich gebe zu, dass es da eine gewisse Verengung gibt.

Welche Verengung meinen Sie?

Als Haider die Partei von mir übernommen hat, hat er sie von der Mitte nach rechts geführt. Von dort ist die FPÖ seither nicht weggekommen – offenbar will sie das auch gar nicht. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, heute eine Parteifunktion zu übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2011)

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