Die FPÖ will „die Probleme weiter ansprechen dürfen“

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Nach den Attentaten. Die Freiheitlichen sehen keinen Grund, ihre Strategie zu ändern. Sie gehen sogar davon aus, dass ihnen die Stimmung „gegen Rechts“ zugute kommt.

Wien. Als Vizeparteichef Norbert Hofer, einer der gemäßigteren Köpfe in der FPÖ, diese Woche meinte, die Freiheitlichen müssten stärker hervorstreichen, wofür sie seien – und weniger, wogegen, vertrat er eine Minderheitenmeinung. Denn die FPÖ denkt nicht daran, unter dem öffentlichen Druck, den die Rechtsparteien seit den Anschlägen in Norwegen verspüren, ihre Strategie zu ändern.

Er könne keine radikalen Elemente in der Kommunikation der Partei erkennen, sagte Harald Vilimsky, einer von zwei Generalsekretären der FPÖ, am Freitag zur „Presse“. Überhaupt ergebe es keinen Sinn, den mutmaßlichen Täter von Oslo und Utøya „in ein parteipolitisches Kästchen“ hineinzupressen: „Das war eine isolierte Wahnsinnstat.“

Hofers Ansinnen hält Vilimsky zwar für ein hehres Ziel. Dabei stelle sich jedoch die „Frage der Möglichkeiten“. Zumal die „Boulevardisierung“ der österreichischen Medienlandschaft einen „Trend zur völligen Verknappung“ zutage gefördert habe, „in der Sachargumente immer weniger Platz finden“. Eine Oppositionspartei müsse ihre Botschaften daher so formulieren, „dass sie auch Gehör findet“, meint Vilimsky.

In Wahrheit glauben die meisten Freiheitlichen, dass es ihnen sogar nützen wird, wenn sie jetzt – im erweiterten Sinn – als Sündenböcke herhalten müssen. Das Kalkül geht dem Vernehmen nach so: Wenn verängstigten und vielleicht islamophoben Wählern der Eindruck vermittelt werde, dass mit der FPÖ auch ihnen der Mund verboten werde, würden sie erst recht freiheitlich wählen. „Man muss die Probleme weiterhin ansprechen dürfen“, lautet daher die gängige Reaktion von FPÖ-Politikern auf die norwegische Tragödie.

ÖVP-Wähler im Visier

Einen (kleinen) Strategiewechsel hat die FPÖ ohnehin schon beim Parteitag Mitte Juni in Graz vollzogen, wenn auch in eine gänzlich andere Richtung. Das neue Parteiprogramm ist abgesehen vom wieder abgestaubten Bekenntnis zum Deutschtum nämlich vor allem ein Signal an wertkonservative Wähler – und damit eine Kampfansage an die ÖVP.

„Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die wichtigste Klammer unserer Gesellschaft“, heißt es in der Präambel. Im dazugehörigen Kapitel wird die Familie dann als Wirtschaftsgemeinschaft definiert. Damit einher geht die Forderung nach einem steuerlichen Familiensplitting, das ÖVP-Chef Michael Spindelegger in seiner Partei nicht durchzubringen scheint (Finanzministerin Maria Fekter nannte es „retro“; Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist dagegen).

Seit Parteichef Heinz-Christian Strache den Kanzleranspruch gestellt hat, bemüht sich die FPÖ generell um ein staatstragendes Image. Da passten die kruden Thesen eines Werner Königshofer nicht mehr ins Bild. Der Tiroler Nationalratsabgeordnete wurde am Donnerstag aus der Partei und dem Parlamentsklub ausgeschlossen, weil seine Aussagen „in krassem Widerspruch zu den Überzeugungen der FPÖ“ stünden, wie Strache erklärte.

Doch Königshofer, der die Attentate in Norwegen unter anderem zum Anlass nahm, um die Fristenlösung zu hinterfragen, will den Rauswurf nicht einfach hinnehmen. „So en passant gehe ich nicht von der Bühne“, ließ er Strache wissen. Königshofer wird in Berufung gehen und erst nach einem Gespräch mit der Parteispitze entscheiden, ob er als „wilder Abgeordneter“ im Nationalrat bleibt oder nicht. „Der Königshofer hat gelernt, auch allein aufrecht zu stehen“, sagte er zur Austria Presse Agentur. Er verfüge über ein Direktmandat in Tirol und sei dort nicht unbeliebt.

IKG: „Widersprüchliche Gerichtspraxis“

Außerhalb der FPÖ wurde am Freitag weiter debattiert, ob nach den Terroranschlägen in Norwegen die österreichischen Sicherheitsgesetze verschärft werden sollen. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) befürwortete in einer Aussendung das geplante Anti-Terror-Paket der Regierung, bemängelte gleichzeitig aber eine „widersprüchliche Gerichtspraxis“.

Als Beispiel führte die IKG den Tierschützer-Prozess in Wiener Neustadt an, der im Mai zu Ende ging: Während diese Gruppe gerichtlich verfolgt wurde, sei es jahrelang möglich gewesen, „dass Neonazis auf Internetseiten ihr Gift verbreiten“; Anzeigen wegen Wiederbetätigung „wurden häufig zurückgelegt“. Außerdem forderte die Kultusgemeinde, dass „die Hetze islamistischer Kreise“ unterbunden und „Geldsammelaktionen“ für Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah „gerichtlich verfolgt“ werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2011)

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