FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer lehnt schärfere Anti-Terror-Gesetze im Gespräch mit der "Presse am Sonntag" ab und plädiert in puncto Neonazis für mehr Achtsamkeit in den eigenen Reihen.
Nach den Anschlägen von Oslo: Brauchen wir andere Terrorgesetze?
Peter Fichtenbauer: Nein. Die Oslo-Geschichte ist ja nach einhelliger Erkenntnis die Tat eines Wahnsinnigen. Und für wahnsinnige Einzeltäter sind keine Terrorgesetze machbar.
Aber gerade auf diese nimmt der Chef des Verfassungsschutzes ja Bezug, wenn er extremistische Meinungsäußerungen im Internet vorsorglich speichern und überwachen will.
Der Chef des Verfassungsschutzes wünscht sich immer mehr, als die derzeitige Gesetzeslage hergibt. Das liegt in der Natur seines Amtsverständnisses. Aber ich sehe keinen Bedarf an neuen Präventionsmöglichkeiten.
Mit welchem Argument? Die Bürgerrechte sind wichtiger als der Schutz vor Terror?
Die Bürgerrechte kommen ohnehin tendenziell zu kurz. Mit der Datenspeicherrichtlinie wird der Bürger ohne konkreten Tatverdacht heutzutage verdächtig. Da wird mit einer Gießkanne über alle Kommunikationsmittel drübergegossen und versucht, irgendwelche Abschriftungsvorgänge zu machen. Doch der Staat darf die Bürger nicht per se als verdächtig einschätzen.
Das gilt auch, wenn wir beispielsweise vom islamistischen Terror sprechen?
Natürlich gilt das generell. Es gab ja auch in den 1970er-Jahren den Linksterror in Deutschland, aber auch in Österreich. Gleich, welche Form des Terrors, es gab immer Wunschvorstellungen, dem Bürger in die Jackentasche zu greifen. Das kam immer mit dem Argument „Wir wollen euch beschützen“. Auch Diktaturen sagen ja, sie wollen die Menschen beschützen und nicht bedrohen. Aber der Inbegriff des Rechtsstaats ist der bewusste Verzicht auf mögliche Machtmittel. Selbstverständlich sind Mittel zur Terrorabwehr notwendig, aber es ist eine Frage des Maßes.
Der Staat muss also quasi die Balance zwischen Gefahrenabwehr und Bürgerrechten halten. Gelingt das aus Ihrer Sicht in Österreich?
Im Prinzip würde ich davon ausgehen.
Trotz der neuen Instrumente, die die Polizei in den vergangenen Jahren in die Hand bekommen hat?
Bei der Datenspeicherrichtlinie haben wir nicht mitgemacht, weil wir das als einen Schritt über die Grenzlinie erachtet haben. Aber das ist jetzt Rechtslage, das ist eben so.
Ein anderer Aspekt zu den Vorfällen in Oslo betrifft die rechten Parteien: Sollten sie jetzt ihr Auftreten ändern und ihre Wortwahl mäßigen?
Zu Aussagen über andere rechte Parteien fühle ich mich nicht berufen. Für die FPÖ, die sich als soziale Heimatpartei sieht, gilt: Ich kann doch nicht aus der Tat eines Wahnsinnigen, der ein Geschreibsel von 1500 Seiten fabriziert hat, rationale Schlüsse ziehen.
Aber es ist doch bezeichnend, wenn man die „Wahnsinnigen“ anzieht.
Natürlich muss die eigene Darstellung so sein, dass es keine Zweifel in eine Richtung gibt, die außerhalb der eigenen Sphäre liegt. Und Diskussionsplattformen müssen in einer Weise sauber gehalten werden, dass sich niemand mit naziverdächtigen Dingen dort beteiligen kann. Wenn herauskommt, dass da eine willkommene Plattform für inakzeptablen Irrsinn existiert, dann ist Tabula rasa zu machen.
Womit wir beim Fall Königshofer wären. Hat die FPÖ in der Vergangenheit zu wenig aufgepasst?
Ja. Ich bin ein Liberaler, ich halte jeden Tag meinen Irrtum für möglich und weiß, wenn ich aufstehe, dass mein Tageswerk von Unvollkommenheit geprägt sein wird.
Und es war nicht früher zu erkennen, dass der Abgeordnete Königshofer zu einem Problemfall wird?
In einem Abgeordnetenklub gibt es zwangsläufig einen Toleranzbereich. Ich kann ja nicht wie ein Landsknecht mit dem Bihänder wüten. Aber man kann sagen: „Jetzt hörst aber auf, es reicht.“ Das ist ja schon der Fall gewesen. Wenn einer nicht belehrbar ist und meint, guten Sinnes scharfe Sachen sagen zu müssen, dann besteht Handlungsbedarf.
Königshofer ist ja kein Einzelfall.
Von der Parteispitze gibt es keinen schlampigen Umgang mit Extremismus.
Sie haben immerhin mit Susanne Winter eine Abgeordnete in Ihren Reihen, die wegen Verhetzung rechtskräftig verurteilt wurde.
Es muss auch erlaubt sein, ein Urteil als falsch zu bezeichnen. Das gilt auch für rechtskräftige Urteile. Die Staatsanwälte sollen aufhören, Politik zu machen. Der Islam gebärdet sich teilweise in einer aggressiven Form. Da kommt es als Reaktion dann und wann zu Aussagen, die auch ein bisschen scharf geraten mögen. Das sofort staatsanwaltschaftlich zu verfolgen, halte ich für falsch.
Aber wir reden ja nicht mehr über die Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, sondern über ein rechtskräftiges Urteil.
Es gibt auch Fehlurteile. Und nach meinem Wissensstand ist das noch nicht zu Ende. Es gibt noch Möglichkeiten, den Fall vor den OGH zu bringen, und schließlich bleibt auch noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)