Yes we can – wenn es die Republikaner wollen

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Die Grand Old Party kann jubilieren: Sie hat sich nicht nur beim US-Schuldenstreit durchgesetzt, sondern Barack Obamas Chancen auf eine Wiederwahl geschmälert.

Leitartikel

Im Poker-verliebten Amerika fehlte es nicht an Vergleichen zwischen dem Kartenspiel und dem Schuldenstreit, der das Land wochenlang in seinen Bann zog. „Don't call my bluff“, meinte Barack Obama während der Verhandlungen zur republikanischen Gegenseite und meinte damit, man solle ihn besser nicht zwingen, sein Blatt zu zeigen, weil es ein starkes sei und er das Spiel damit gewinnen würde.

Was der passionierte Golfspieler Obama nicht beachtete, ist, dass man beim Pokern bei so starken Ansagen besser nicht zwinkert. Der Demokrat tat es, die Republikaner wollten das Blatt sehen, und der US-Präsident verlor nicht nur das Spiel, sondern auch den Großteil seines Einsatzes. In der Sprache der Politik: sein politisches Kapital und damit möglicherweise seine Wiederwahl.

Die Einigung über das Schuldenlimit, die die Demokraten und Republikaner wie erwartet in letzter Minute erzielten, ist für den Präsidenten eine Blamage und Niederlage. Obama konnte kein einziges seiner wichtigen Anliegen durchbringen (dass die Anhebung der Schuldengrenze die Zahlungsfähigkeit bis nach der Präsidentschaftswahl 2012 sichert, wird eine hitzige Debatte darüber im Wahlkampf nicht verhindern); mit dem Kompromiss vergrämt er große Teile seiner demokratischen Gefolgschaft; vor allem hat er bewiesen, dass er unter Druck nachgibt wie Hefeteig.

Die Republikaner können rundum zufrieden sein. Sie haben durchgesetzt, dass es keine Steuererhöhungen gibt; sie haben erreicht, dass man auch über Einsparungen bei den heiligen Kühen der Demokraten, bei Medicare und Social Security, reden wird; und sie haben bewiesen, dass sie die Politik des Landes machen, nicht das Weiße Haus.

Ob der erzielte Kompromiss ein guter ist, wird bereits leidenschaftlich diskutiert. Man führe die Vereinigten Staaten mit dem Paket zurück an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds, meinen manche. Jetzt zu sparen sei zu früh, die Wirtschaft schwächle noch und werde mit staatlichen Einsparungen nur noch schwächer. Wirtschafts-Nobelpreisgewinner Paul Krugman meint in der „New York Times“ gar, die USA befänden sich mit diesem Kompromiss auf dem Weg hin zum Status einer Bananenrepublik.

Natürlich ging es den Republikanern mit ihrem Widerstand gegen das ursprünglich umfangreiche Spar- und Steuerpaket Obamas nicht nur um neue Steuern, die wirtschaftliche Situation oder die Verschuldung der USA, die zweifellos beängstigende Ausmaße annimmt. Unter republikanischen Präsidenten war die Sorge der Partei um die Staatsschuld nämlich nicht annähernd so groß wie unter demokratischen. Während Ronald Reagans Präsidentschaft erhöhte der Kongress das Schuldenlimit 20 Mal – ohne Diskussion; unter George W. Bush sieben Mal, und selbst im ersten Jahr von Obamas Präsidentschaft setzte der Kongress weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit das Limit drei Mal nach oben.


Ein Jahr vor der Wahl ging es den Republikanern auch – oder vielleicht vor allem? – um ein Thema für die Wahlen 2012, bei denen es nicht nur um den Präsidenten geht, sondern auch um die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses und eines Drittels des Senats. Und es ging darum, den Nimbus von Barack Obama zu zerstören. Beides haben sie erreicht.

Mit ihrer Njet-Politik vom ersten Tag der Angelobung des 44.Präsidenten an haben sie sichergestellt, dass Obama keinen einzigen großen politischen Sieg feiern konnte. Selbst die Änderungen bei der Krankenversicherung blieben weit hinter dem zurück, was der Präsident im Wahlkampf versprochen und sich viele seiner Anhänger erwartet hatten. Man gönnte ihm nicht einmal den Erfolg, den aktuellen Kompromiss mitverhandelt zu haben: Der war erst auf parlamentarischer Ebene möglich.

Barack Obama hat es in den zweieinhalb Jahren im Weißen Haus nicht geschafft, politische Spuren zu hinterlassen. Aus einem ehrgeizigen „Yes we can“ wurde ein Yes we can – aber nur, wenn die Republikaner wollen. Die Gefahr für Obama ist groß, dass sich die Menschen 2012 für einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner entscheiden, wenn die Partei ohnehin schon die Politik des Landes macht.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2011)

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