Bei US-Demokraten wächst der Unmut über Barack Obama

(c) Dapd (Oliver Lang)
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Attentatsopfer Gifford feierte umjubeltes Comeback im Senat, doch in ihrer Partei brodelt es. Aber für Augenblicke waren in Washington die bitteren Differenzen weggewischt.

Washington. Am Ende tauchte doch noch eine Heldin auf in der epischen Polit-Schlacht in Washington, in der von Präsident Barack Obama über den republikanischen „Speaker“ John Boehner bis hin zu den Kongressabgeordneten alle Beteiligten Blessuren davontrugen. Zwei Minuten waren noch für die Abstimmung über die Anhebung des Schuldenlimits im Repräsentantenhaus anberaumt, als sich im Plenarsaal plötzlich eine Menschentraube bildete.

Da stand sie, die große Abwesende der vergangenen sieben Monate, hager und bleich, mit Brille und dunkler Kurzhaarfrisur, umringt und umarmt von ihren Kolleginnen und Kollegen beider Parteien. Gabrielle Giffords, die demokratische Abgeordnete, die Anfang Jänner ein Attentat in ihrer Heimatstadt Tucson in Arizona nur knapp überlebt hatte, war erstmals wieder in den Kongress zurückgekehrt, um ihr Votum abzugeben. „Ich musste einfach da sein. Ich wollte nicht riskieren, dass die Wirtschaft durch meine Absenz einbrechen könnte“, ließ sie hinterher verlauten.

269 Ja-Stimmen gegen 161 Nein-Stimmen lautete schließlich das Ergebnis. Zwei Drittel der Republikaner, aber nur die Hälfte der Demokraten votierte im Repräsentantenhaus für eine Erhöhung. Auch im Senat fand sich am Dienstag eine klare Mehrheit von 74 zu 26 Stimmen für den Kompromiss. Damit konnte Präsident Barack Obama wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums ein Gesetz signieren, das den Bankrott abwendet.

Giffords' Auftritt markierte den emotionalen Höhepunkt in der Schuldendebatte. Das Sprechen fällt ihr noch sichtlich schwer. Ihre Lippen formten sich zu einem „Thank you“, als Standing Ovations aufbrandeten. Sie steht wacklig auf den Beinen, ihr Mann – der Astronaut Mark Kelly –, geleitete sie aus dem Kapitol. Am Dienstag empfing Obama die Space-Shuttle-Astronauten im Weißen Haus. Für den politisch angeschlagenen Präsidenten schien es verlockend, sich bei der Gelegenheit auch mit Gabby Giffords zu umgeben, auf dass ein mildes Licht auf ihn fällt.

Biden als Blitzableiter

Für Augenblicke waren in Washington die bitteren Differenzen weggewischt, ihre Rückkehr dämpfte den latenten Unmut in ihrer Partei. „Überparteilichkeit ist wichtiger als auf seiner Position zu beharren“, hieß Giffords' Botschaft. In diesem Sinne hatte Vizepräsident Joe Biden in einer Fraktionssitzung der Demokraten vor der Abstimmung für den Kompromiss geworben – ein Ventil für den aufgestauten Frust. Biden wurde zum Blitzableiter.

Vor allem der liberale Flügel machte seiner Enttäuschung über die Politik des Präsidenten Luft. Es wurde erneut Kritik an seiner Verhandlungstaktik laut. Obama sei nicht kämpferisch genug, er würde in allen Streitfragen nachgeben. Im Vorjahr hatte er bereits seine Forderung nach einem Ende der Steuererleichterungen für die Reichen aus der Bush-Ära fallengelassen, um die Konjunktur nicht zu gefährden. Die Steuerfrage wird im Präsidentschaftswahlkamf abermals in den Brennpunkt rücken.

Dass er sein vollmundiges Versprechen nach einer Schließung Guantánamos gebrochen hat, ist ohnehin ein Stachel im Fleisch der Linken. Kritiker wie der Kolumnist und Ökonom Paul Krugman rüffeln Obama seit Langem mit „heiligem“ Zorn, und auch die liberale Organisation MoveOn schäumt.

Die Demokraten jaulten auf. „Mir ist zum Weinen zumute“, sagte die afroamerikanische Abgeordnete Eleanor Holmes Norton. Parteifreund Emanuel Cleaver sprach von einem „satanischen Sandwich“, ein anderer vom „Trojanischen Pferd“, in dem sich Skylla und Charybdis versteckt hielten, die antiken Meerungeheuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2011)

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