Bahntunnelorgie kostet 53,5 Milliarden

(c) APA (MARKUS LEODOLTER)
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Die Infrastrukturinvestitionen der Bahn belasten künftige Budgets wesentlich stärker als bisher bekannt. Grund sind die Finanzierungskosten, die normalerweise „unterschlagen“ werden.

Wien. Der Bau der viel diskutierten Tunnelprojekte durch Koralm, Brenner und Semmering (samt Wiener Zentralbahnhof und „Lückenschluss“ im Schienennetz) wird die Steuerzahler nicht, wie immer wieder behauptet, rund 20 Milliarden Euro kosten, sondern mindestens 53,5 Milliarden. Das geht aus Berechnungen des Rechnungshofs hervor. „Mindestens“ deshalb, weil diese Berechnungen darauf basieren, dass der Bund bei den Bahninfrastrukturprojekten (mit Ausnahme des Brennertunnels) vereinbarungsgemäß nur 70 beziehungsweise (ab 2014) 75 Prozent der Annuitäten tragen muss und den Rest die Bahn beisteuert.

Schafft die Bahn das nicht – wovon Verkehrsexperten eher einheitlich ausgehen – dann könnten die Kosten für den Bund auf mehr als 64 Milliarden Euro explodieren. Nicht enthalten sind in dieser Rechnung eventuelle Baukostenüberschreitungen, wie sie bei großen Infrastrukturprojekten eher die Regel als die Ausnahme sind.

Die Bombe ist im Bundesrechnungsabschluss 2010 relativ verschämt unter dem unverfänglichen Titel „Vorbelastungen des Bundeshaushalts aufgrund der Vereinbarungen über die Rahmenpläne 2007 bis 2012, 2008 bis 2013 und 2009 bis 2014 zu Investitionen der ÖBB-Infrastruktur AG“ auf den Seiten 133 bis 138 versteckt.

Der Rechnungshof hat sich dabei die Mühe gemacht, nicht nur die reinen Investitionskosten anzusehen, sondern auch die Finanzierungskosten – und damit die Zahlungen über die gesamte Laufzeit der Kredite. Das sind 30 Jahre für die „normalen“ Bahnprojekte und 50 Jahre für den Brennerbasistunnel.

Hohe Kreditkosten

Die hohe Differenz zwischen den (niedrigen) öffentlich genannten Baukosten und den vom Rechnungshof ermittelten Budgetvorbelastungen von mindestens 53,5 Milliarden Euro ergibt sich aus den Kosten für die aufgenommenen Kredite. Diese Finanzierungskosten werden bei öffentlichen Investitionen normalerweise nicht genannt – müssen aber trotzdem getragen werden. Bei langen Kreditlaufzeiten sind die Finanzierungskosten, wie jeder „Häuselbauer“ oder Wohnungskäufer weiß, in der Regel höher als die eigentlichen Baukosten.

Am Beispiel Brennerbasistunnel: Die Kosten dieses Bauwerks wurden bisher mit acht bis neun Milliarden Euro beziffert. Der Rechnungshof geht beim Brennerbasistunnel aber von einer Gesamtbelastung von 11,99 Milliarden Euro allein für das österreichische Bundesbudget aus. Nachdem Österreich nur rund die Hälfte der Kosten trägt (den Rest übernimmt Italien) dürften die wahren Kosten des Bauwerks einschließlich Finanzierung auf derzeitiger Preisbasis unter dem Strich also um die 24 Milliarden Euro liegen.

Der Rechnungshof kritisiert in seiner „Voranschlagsvergleichsrechnung“ auch, dass der Bund selbst intern die wahren Kosten der Projekte verschleiert. So seien bisher in der Bundesvoranschlagsrechnung nur jene Annuitäten als Budgetvorbelastung ausgewiesen worden, die bis zum Ablauf des jeweiligen Rahmenplans (also bis maximal 2014) fällig werden. Weil die Kredite aber viel länger laufen, klaffte eine riesige Lücke von 28,9 Milliarden Euro. Das Finanzministerium hat allerdings angekündigt, dafür sorgen zu wollen, dass „diese Beträge umgehend im Hauptrechnungskreis Vorbelastungen verrechnet werden“.

8000 Euro Pro-Kopf-Belastung

Die Budgetvorbelastungen von 53,5 bis 64 Milliarden Euro (das sind 6700 bis 8000 Euro pro Kopf der Bevölkerung) betreffen (ausgenommen Brennertunnel) nur die Investitionen der Rahmenpläne bis 2014. Nachdem anzunehmen ist, dass die Bahn nach 2014 ihre Investitionen nicht einstellen wird, entspricht das also nur einem Teil der auf das Budget zukommenden Bahnbelastungen.

Um die Summen ins rechte Lot zu setzen: Die ÖBB macht derzeit einen Marktumsatz (ohne Subventionen etwa für Sozialtarife) auf der Schiene in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro. Das ist deutlich weniger, als der Bund derzeit für die Bahninvestitionen pro Jahr zuschießen muss.

Die großen Tunnelprojekte sind auch in den ÖBB selbst nicht unumstritten. Ein hochrangiger ÖBB-Manager sagte kürzlich zur „Presse“, betriebsintern benötige man „den Brennertunnel noch weniger als den Koralmtunnel“. Die Brennerbahnstrecke ist bei Weitem nicht ausgelastet, und der viel zitierte internationale Personenverkehr auf der „baltisch-adriatischen-Verkehrsachse“ existiert schlicht nicht: Zwischen Österreich und Italien verkehrt auf der Südbahnstrecke nur noch ein Personenzug pro Tag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)

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