Mehr Zustimmung zu „Multikulti“ nach Attentaten

(c) AP (Haakon Mosvold Larsen)
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Die Anschläge von Oslo und Utøya haben – zumindest kurzfristig – die Haltung der Norweger gegenüber Zuwanderern positiv beeinflusst. Auch die regierenden Sozialdemokraten erfahren verstärkt Zuspruch.

Oslo/Kopenhagen. Die Anschläge von Oslo und Utøya haben die politischen Haltungen in Norwegen verändert. Die Einstellung zu einer multikulturellen Gesellschaft, wie sie der rechtsextreme Attentäter Anders Breivik hasst, ist deutlich positiver geworden. Gleichzeitig sammelt die sozialdemokratische Arbeiterpartei Sympathiewerte wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Fast 42 Prozent gaben in einer Umfrage des Instituts Synnovate ihre Stimme der Arbeiterpartei, das sind um elf Prozentpunkte mehr als vor den Attentaten. Andere Umfragen bestätigten den Trend. Das ist einerseits eine Reaktion auf das Massaker im Jugendlager der sozialdemokratischen Jugend. Breivik hatte als Motiv angegeben, der Arbeiterpartei möglichst großen Schaden zufügen und ihre Hoffnungsträger ausschalten zu wollen.

Andererseits sind die Bestwerte auf die Rolle von Ministerpräsident Jens Stoltenberg zurückzuführen, der für seinen Umgang mit der Krise von allen Seiten Respekt einheimste. 94 Prozent der Norweger erklären, Stoltenberg habe seine Sache gut gemacht. Der stellvertretende Parteisekretär Odd Erik Stende bezeichnete die Umfragewerte als „Ausdruck des Mitgefühls“ für die Opfer des Terrors. Ein Fingerzeig auf künftige Wahlergebnisse seien sie nicht.

„Hilfsbereit und rücksichtsvoll“

Zweifel herrschen auch, wie lange die nun ausgewiesene Sympathie für eine multikulturelle Gesellschaft andauert. 26 Prozent der Befragten erklären, ihre Einstellung habe sich durch die Ereignisse in eine positive Richtung gewandelt. „Die Wärme, die alle ungeachtet ihres kulturellen oder religiösen Hintergrunds gezeigt haben, ist stärker als die Skepsis gegenüber den Mitmenschen“, kommentierte Mehtab Afsar, der Generalsekretär des Islamischen Rats, die in der Zeitung „VG“ publizierte Umfrage. Das „typisch Norwegische“ sei zurückgekehrt, die Leute erwiesen sich als „hilfsbereit und rücksichtsvoll“. Skeptischer äußerte sich der Politologe Anders Todal Jensen: Dies sei ein Augenblicksbild, von dem nicht auf permanente Veränderungen geschlossen werden dürfe. Die frühere Rhetorik werde bald zurückkehren.

In einer Gedenkstunde für die 77 Opfer der Anschläge im Parlament warnte Stoltenberg davor, „Hexenjagd auf Äußerungen“ zu betreiben. Gleichzeitig forderte er zum Nachdenken darüber auf, wie man die Meinungsfreiheit beschützen wolle.

Justizminister Knut Storberget bremst die Rufe nach Verschärfung des Strafmaßes für terroristische Akte. 65 Prozent der Norweger halten die jetzt geltenden 21 Jahre für zu niedrig. Storberget sagte, man müsse die Frage prüfen, dürfe aber nicht spontane Gefühle die Debatte steuern lassen. „Politische Panik ist kein guter Nährboden für Reformen des Strafrechts“, unterstrich Storberget und verwies darauf, dass aus dem Kreis der Hinterbliebenen keine Forderung nach strengeren Strafen komme.

Unterdessen werden immer mehr Details zur Vorbereitung der Anschläge bekannt. Nach Angaben seines Anwalts Geir Lippestad soll Breivik die benötigten Materialien größtenteils im Ausland gekauft und dazu rund 20 Länder bereist haben. „Er sagt, dass ihm mehrere Personen geholfen haben, das Material zu beschaffen“, sagte Lippestad zur Zeitung „VG“. Er machte aber keine Angaben darüber, ob die Kontaktpersonen die politischen Ansichten des Terroristen teilten oder über dessen Pläne informiert waren.

Nach Angaben des Anwalts will Breivik weitere Details erst dann preisgeben, wenn die norwegischen Behörden seine „extravaganten Forderungen“ erfüllen. Medienberichten zufolge hatte der 32-Jährige, der in der Haftanstalt Ila unweit von Oslo untergebracht ist, bei seiner letzten Befragung unter anderem den Rücktritt der Regierung und die Abdankung des Königs gefordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)

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