Anhaltende Krise: Tausende verlassen Irland

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Den ehemaligen "Keltischen Tiger" plagen Schulden und Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr über der Marke von 14 Prozent bleiben.

Dublin/Bloomberg. Arbeitslosigkeit und Auswanderung – das sind Krankheiten, die Irland schon aus den 1980er-Jahren kennt. Jetzt sind sie auf die grüne Insel zurückgekehrt, und Experten sehen kaum eine Chance, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern könnte. Auch, weil die Regierung nicht über die Mittel verfügt, um Arbeit schaffen zu können.

Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr über der Marke von 14 Prozent bleiben, erwarten Volkswirte von der irischen Geschäftsbankengruppe Allied Irish Banks und der Ulster Bank. Das ist etwa das Doppelte der Quote von vor drei Jahren. Im Juni betrug die Arbeitslosigkeit nach Angaben des irischen Statistikamts 14,2 Prozent. Gleichzeitig verlassen so viele Menschen das Land wie seit dem Jahr 1989 nicht mehr.

35.000 Menschen ausgewandert

„Es ist aussichtslos“, sagt der 51-jährige Joe Cox zu „Bloomberg News“. Er leitete eine Eisenwarenhandlung, bevor er vor elf Monaten seinen Job verlor. „Meistens antworten einem die Arbeitgeber nicht einmal.“

In ganz Europa bekommt eine wachsende Zahl von Arbeitslosen in den am höchsten verschuldeten Ländern die Sparprogramme zu spüren. Irland hat es jedoch schon in der Vergangenheit geschafft, sich von Rückschlägen zu erholen. So auch nachdem der Wirtschaftsboom zusammenbrach – das Ende des „Celtic Tiger“ – und infolge der schwersten Bankenkrise Europas. In den Jahren von 1992 bis 1996 betrug die Arbeitslosenquote durchschnittlich etwa 14 Prozent. Während des Wirtschaftsbooms ging sie hingegen zeitweise auf bis zu 3,7 Prozent zurück, trotz Zuwanderung und Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropäer.

Das Ende des „Celtic Tiger“ kündigte sich mit Jobverlusten in der zuvor boomenden Baubranche an. Jetzt hat Irland die dritthöchste Arbeitslosenquote in der Eurozone – gleich hinter Griechenland und Spanien. Die EU-Kommission geht davon aus, dass sie heuer im Schnitt 14,6 Prozent betragen wird, verglichen mit einem Euroraum-Durchschnitt von zehn Prozent.

Seit der Zeit der großen Hungersnot, die 1845 begonnen hat, ist die Geschichte Irlands von Auswanderungswellen durchzogen. In den hundert Jahren bis 1961 schrumpfte die Bevölkerungszahl um mehr als ein Drittel auf 2,8 Millionen Menschen. Jetzt hat die Auswanderung wieder zugenommen: In den vier Monaten bis April haben etwa 35.000 Menschen die Insel verlassen, wie aus Daten des Statistikamtes hervorgeht.

Weniger Geld für Arbeitslose

„Es wird ein schwieriger und langwieriger Prozess, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren“, sagt Austin Hughes, Chefvolkswirt der KBC Bank in Dublin. „Die Staatsfinanzen sind in einer so schlimmen Verfassung, dass es keine richtigen Möglichkeiten gibt, das Problem anzugehen.“

Das irische Haushaltsdefizit wird Prognosen zufolge heuer 10,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Das ist mehr als das Dreifache des Limits in der Eurozone. Dahinter stehen vor allem die Kosten für die Rekapitalisierung der Banken. Da bleibt für umfangreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht viel übrig.

Einige Unternehmen, vor allem im Technologiebereich, suchen allerdings händeringend Mitarbeiter. So will der schwedische Netzwerkspezialist Ericsson AB in Irland hundert Software-Ingenieure einstellen. Auch Google erklärte, Schwierigkeiten zu haben, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Für die Wohlfahrtsministerin Joan Burton zeigt sich daran, dass die Arbeitslosigkeit für manche zur bevorzugten Lebensweise geworden ist. Sie reduziert daher die Bezüge für Arbeitslose, die Stellen ablehnen oder Weiterbildungen ausschlagen. „In der Celtic-Tiger-Ära, als es Einnahmen im Überfluss gab, war es nicht schwer, Extrageld zu finden“, sagt Burton im Interview mit „Bloomberg News“. „Das hat sich grundlegend geändert, und wir müssen uns anpassen.“

Etwas anders sieht der Arbeitssuchende Joe Cox die Lage. Er fühlt sich von Burton, die als Mitglied der Labour-Partei in der seit fünf Monaten amtierenden Koalitionsregierung sitzt, im Stich gelassen. „Sie weiß nicht, wie es ist, eine Familie mit 188 Euro die Woche ernähren zu müssen“, sagt er. „Sobald sie deine Stimme haben, wenden sie sich von dir ab.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2011)

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