Die herabgestuften Staaten von Amerika

Zeit für Obama, die Budgetbremse etwas kräftiger zu ziehen. Die USA wären nicht das erste Imperium, das unter der Last von Schulden zusammenbricht. Doch noch müssen sich Amerikas Feinde gedulden.

Schulden pflastern den Weg zum Friedhof der Imperien. Mit einer Bankrottserie endeten im 16. und 17.Jahrhundert die spanischen Weltreich-Träume. Die Briten konnten ihr Empire nach dem Ersten Weltkrieg spätestens dann nicht mehr finanzieren, als Zinszahlungen fast die Hälfte ihres Staatshaushalts auffraßen. Und auch der Sowjetunion fehlte am Ende angesichts des Ölpreisverfalls vor allem eines: Geld. Der Niedergang von Hegemonien beginne meistens mit einer Schuldenexplosion, schreibt der britische Historiker Niall Ferguson („Der Aufstieg des Geldes“). Und er prophezeit auch den USA ein ähnliches Schicksal, wenn sie ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen.

Wie ernst die Lage ist, machte jetzt auch Standard & Poor's deutlich. Die amerikanische Ratingagentur stufte zum ersten Mal in der Geschichte des Landes die Kreditwürdigkeit der USA herab, von der Bestnote AAA auf AA+. Die Folgen sind schwer vorherzusagen. Wenn jedoch die anderen Ratingagenturen nachziehen sollten, was sie derzeit nicht beabsichtigen, dann müssen die Amerikaner mit Sicherheit höhere Zinsen zahlen, nämlich bis zu 100 Milliarden Dollar mehr pro Jahr, wie die Banker von JPMorgan Chase schätzen. Die USA versänken noch tiefer und schneller im Schuldenmorast.

US-Präsident Obama reagierte indigniert auf das Downgrading. Es wäre vielleicht zielführender, die Budgetprobleme an der Wurzel zu packen, als auf den Überbringer der schlechten Nachricht einzudreschen. Das AA+ kommt nicht überraschend, Standard & Poor's hat es angekündigt, falls die US-Regierung die Schulden in den nächsten zehn Jahren nicht um vier Billionen reduziert. Das Sparpaket, auf das sich der Kongress zu Beginn nach monatelangem Gefeilsche geeinigt hat, sieht jedoch nur Kürzungen von 2,1Billionen Dollar vor. Das ist zu wenig.

Die USA haben den kritischen Punkt bereits überschritten. Vergleichende historische Studien, die der Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff, angestellt hat, zeigen, dass es so richtig brenzlig werden kann, wenn die Verschuldung eines Staates auf über 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt, weil sich dann automatisch auch das Wirtschaftswachstum verlangsamt. Die Schuldenquote der USA ist vergangene Woche über die 100-Prozent-Marke geklettert. Nur einmal standen die Amerikaner tiefer in der Kreide: 1946. Damals, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, ließen sich die Ausgaben jedoch wesentlich einfacher senken als heute.

Die Abgesänge auf die USA kommen dennoch zu früh. Ihr militärischer Vorsprung, ihr Innovationspotenzial und die Schutzwirkung des Dollar als Leitwährung sind so groß, dass die Supermacht noch ein paar Jährchen Spielraum hat. Zugute kommt den Amerikanern, dass sie, auch dank der schrillen Tea Party, ein ausgeprägteres Schuldenbewusstsein haben als Europäer. Doch viel länger dürfen sich Obama&Co. nicht spielen. Sonst landen eines Tages auch das US-Imperium und die liberale Weltordnung auf dem Schuldenfriedhof.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2011)

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