In der Freudenau wird nicht nur Strom für Wien erzeugt, das jüngste österreichische Donaukraftwerk - eröffnet 1998 - ist auch ein gutes Beispiel für die Einbindung der Bevölkerung.
Wien. Es ist ein sonniger Morgen nahe der Freudenauer Hafenstraße, beim 1921. Stromkilometer der Donau, von der Mündung in Rumänien aufwärts gerechnet: Auf der Fahrbahn über dem Wasser drehen sich die Reifen von Dutzenden Radlern, die vom Festland auf die Donauinsel übersetzen – 15Meter unter der Wasseroberfläche der aufgestauten Donau rotieren sechs mächtige Kaplan-Turbinen, die zum Rückgrat der Wiener Stromversorgung gehören.
Das Kraftwerk Freudenau ist dennoch für die meisten Freizeitsportler nicht mehr als eine etwas technisch aussehende Raststätte: Man pausiert, beobachtet Schiffe beim Durchqueren der Schleusen; jenen Schildern, die mit einem bunten Fisch und dem Wort „Stromhaus“ zum Abstieg ins Informationszentrum des Werks einladen, folgen nur wenige.
Kurswechsel nach Hainburg
Zumindest nicht so viele, wie der Betreiber Verbund sich ursprünglich erwartet hat. Denn die Geschichte des zwischen 1992 und 1997 erbauten Kraftwerks Freudenau ist auch eine Geschichte der energietechnischen Öffentlichkeitsarbeit: Nachdem die gesellschaftliche Diskussion über den Umwelteinfluss der Wasserkraft mit der Besetzung der Hainburger Au 1984 ihren Tiefpunkt erreicht hatte, wählte man den offensiven Weg: Informationsstände, Veranstaltungen, ein eigener Nebenfluss für Fische, die vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk als bindend bezeichnete Volksabstimmung 1991– und die bewusst ästhetische Gestaltung des Werks via Architekturwettbewerb sollten Freudenau zur freundlichsten der Stromfabriken an der Donau machen.
So erzählt es Herbert Wagner, der als Kommunikator der guten Seiten der Wasserkraft seit den 1990er-Jahren unterwegs ist. Ursprünglich beim Verbund beschäftigt, hat er mittlerweile aus der Verbreitung des Wasserkraftgedankens seine eigene Firma gegründet. „Beim Bau von Freudenau hat die Kommunikation wesentlich besser funktioniert“, sagt er, „nur dass sich das Infozentrum tausende Radler und Spaziergänger ansehen, hat man überschätzt.“
Gut besucht ist das Zentrum dennoch. Von Schülern, Lehrlingen, aber auch von Vertretern der asiatischen Energiewirtschaft, die sich hier Anregungen holen. Herbert Wagner führt sie alle: Über die Treppen des im Blau des Verbund-Logos gehaltenen Stromhauses hinunter: dorthin, wo Miniaturmodelle des Kraftwerks darstellen, wie die Maschinen dem Wasser Energie entziehen.
Ein Knopfdruck, ein Licht blinkt, und die Turbine dreht sich, der Generator verwandelt die mechanische Energie in elektrische. Modellhaft. Ein paar Meter weiter unterhalb passiert dies ganz real: Ein Lift führt ins Herz des Werks. Mit rund zwölf Grad Raumtemperatur ist es ein kühles. Und ein nasses: Ein wenig Donauwasser geht immer verloren, wenn rund 1,7 Mio. Liter pro Sekunde die Turbinen durchströmen, deshalb sind die unterirdischen Betonwände so nass. „Greift sich eigentlich ganz lebendig und nett an“, sagt Wagner – dass er tatsächlich von allen Aspekten der Wasserkraft begeistert ist, merkt man schnell. Im Turbinenraum selbst hört er aber doch kurz auf zu erzählen. Hier hört man nicht einmal sein eigenes Wort. Aber man riecht etwas – Öl. Mitten im Wasserkraftwerk? Allerdings. Aber fern jedweder CO2-Bilanz, denn in Freudenau wird Öl nur verwendet, um jene Teile zu schmieren, die den Wasserzufluss zur Turbine regeln.
20 Mitarbeiter im Kraftwerk
Seit der offiziellen Eröffnung des Kraftwerks am 2. Juni 1998 arbeiten hier die gleichen Maschinen. Aber nicht die gleiche Mannschaft – denn die Automatisierung hat den Bedarf nach menschlicher Kontrolle zuletzt deutlich reduziert. Rund 20 Personen sind heute für den alltäglichen Betrieb verantwortlich. „Sehr geschäftig wird es hauptsächlich dann, wenn irgendetwas vom Normalbetrieb abweicht“, sagt Wagner.
Wenn alles gut läuft – und das tut es meistens – kann man sich auch mit kleinen Sentimentalitäten beschäftigen. Etwa mit den „Taufnamen“ der Maschinen, zu denen Wagner alle Gäste führt: „Am bekanntesten ist die Maschine mit der Nummer 2“, erzählt er. „Die heißt Helmut – raten Sie einmal, nach wem die benannt ist.“
Auf einen Blick
„Wien am Wasser“. Unter diesem Titel nimmt „Die Presse“ jene Orte unter die Lupe, an denen Wien sich mit dem Wasser arrangiert, an denen es mit ihm kämpft, oder an denen es sich sogar neu erfindet.
Bisher erschienen:„Waterfront“ (26.7.), Wiener Hafen (28.7.), Wiener Schulschiff (31.7.), Jachthafen Donaumarina (3.8.).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2011)