Doping: "Für EPO hatten wir das Codewort Katzenfutter"

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Walter Mayer strotzte am ersten Verhandlungstag vor Optimismus, seine Anhörung erfolgt am Mittwoch. Ein Mitangeklagter belastete Mayer schwer. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

Wien. Es geschieht selten, dass ein Angeklagter mit strahlendem Lächeln das Wiener Straflandesgericht betritt. Auch ist es ungewöhnlich, dass er bereitwillig TV-Interviews gibt, sich in allerlei Posen fotografieren lässt und keinerlei Angst vor einer Verurteilung zeigt. Beim Auftakt des Dopingprozesses gegen Walter Mayer und vier weitere Personen stand am Montag ausschließlich der ehemalige ÖSV-Langlauftrainer im Mittelpunkt.

Mayer strotzte vor Optimismus. Stolz zeigte er ein Plastiksackerl, in dem er seine Unterlagen transportierte. Und, er war sicher, freigesprochen zu werden. „Ich habe mit Doping nichts zu tun. Ich habe mich möglicherweise oft im Graubereich bewegt, aber letztlich nichts Verbotenes gemacht, sondern nur medizinische Indikationen veranlasst.“

Dennoch, der 54-Jährige soll laut Anklage die zentrale Figur eines Dopingnetzwerks gewesen sein und Spitzenvertreter des Langlauf- und Biathlonsports mit illegalen Präparaten versorgt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Verstöße gegen das Anti-Doping-Gesetz 2007 (§ 22a) und das Arzneimittelgesetz (§ 5a) vor. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu drei Jahre Haft. Richterin Katharina Lewy hat vier Verhandlungstage anberaumt, bereits am 17. August sollen die Urteile feststehen. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Apotheker und Dachdecker

Als Mayer im Verhandlungssaal 106 auf der Anklagebank Platz nahm, begann das Geduldsspiel. Zuerst wurde der Apotheker Adriano A. einvernommen, der Mayers Mittelsmann und ehemaligen Dachdecker mit verbotenen Anabolika, Hormonen und Stimulanzmitteln versorgt haben soll.

Der Apotheker bekannte sich „teilschuldig“, wies aber den Vorwurf entschieden zurück, die in der Anklage angeführten Mengen und vereinzelte Präparate zwischen 2006 und 2007 besorgt zu haben. Auch habe er nicht gewusst, dass die Präparate über R. bei Mayer landeten. „Als ich erfahren habe, wohin dieses Zeug geht, hat er von mir nichts mehr bekommen. Da habe ich dann die Finger davon gelassen.“

Als Dachdecker Karl Heinz R. nach einer Unterbrechung in der Mitte des Saales Platz nahm, ergaben sich aber Widersprüche sowohl über Dauer, Mengen, Übergabeorte und die Bezahlung. R. bekannte sich „schuldig“. Seine detaillierten Ausführungen überraschten. Mit der Eloquenz und dem Fachwissen eines Mediziners philosophierte der Dachdecker über die Präparate. In einer sprachlichen Makellosigkeit, die seinen Kärntner Akzent vergessen ließ und bei einigen Kiebitzen den Eindruck erweckte, dass er sich das alles, wider die Behauptung von Mayers Verteidigung, nicht nur dank seiner ausgeprägten Fantasie einfallen ließ.

Auch über Treffpunkte auf Parkplätzen, der A11, dem Minimundus oder in einem Oldtimer-Museum, gab R. – er ist zugleich der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft – bereitwillig Auskunft. Nur in einem Punkt war es um die Ruhe und Aussagekraft des Handwerkers geschehen. Auf Nachfrage von Mayers Verteidigern konnte der 42-Jährige nicht ein Datum exakt nennen, an dem eine dieser unzähligen Übergaben stattgefunden haben soll.

„Walter Mayer war mein Idol“

Als R. jedoch auf das bei Blutdoping gängige EPO angesprochen wird, kehrt seine Rhetorik zurück. „Immer, wenn ich mit Mayer telefoniert habe, benützten wir ein Codewort. Er hatte Angst, dass er abgehört wird. Also nannten wir EPO Katzenfutter.“ Mayer war erbost, bei diesen Worten schüttelte er wild den Kopf. R. aber blieb bei seiner Version. Er habe kein Motiv, die Unwahrheit zu sagen. Auch habe er „nichts gegen Walter Mayer. Er war mein Idol. Ich war stolz, ihm helfen und etwas besorgen zu können.“ Auch habe er an den Geschäften „nur ein bisserl etwas“ verdient. Dynepo-Präparate habe er um 350 Euro pro Packung verkauft. Zudem soll Mayer sogar oft mit den Zahlungen in Verzug geraten sein, sodass er die Substanzen aus eigener Tasche vorstrecken musste. „Reich geworden bin ich damit wirklich nicht.“

Am meisten soll für den Dachdecker herausgeschaut haben, als er einer Freundin Mayers Präparate verkaufte, weil sie partout Senioren-Weltmeisterin im Langlauf werden wollte. Es soll zwischen Herbst 2008 und Frühjahr 2009 geschehen sein, also nach Inkrafttreten des Antidopinggesetzes.

Mayer, so die Anklage, soll für die Frau einen Dopingplan erstellt und die Blutwerte überwacht haben. Der Langläuferin soll R. nicht als Dachdecker, sondern als Schönheitschirurg vorgestellt worden sein. Karl Heinz R. bestritt das, auch die Höhe seiner Einnahmen wusste er nicht mehr. Richterin Lewy blätterte im Akt und fand die von ihm der Soko Doping gegenüber genannte Summe: 7000 Euro. „Das waren 700! Hätte ich 7000 Euro gemacht, hätte ich doch nicht damit aufgehört.“

R. ließ mit vielen Behauptungen aufhorchen, verstrickte sich aber in ebenso viele Widersprüchen. Die von ihm bei den Verhören genannten „Endabnehmer“, allesamt ÖSV-Sportler, habe er „nie namentlich erwähnt. Ich will doch keinen Sportler anpatzen.“ Ladungen vom Gericht erhielten die vor der Soko Doping erwähnten Athleten dennoch, sie müssen unter Wahrheitspflicht aussagen. Zum Schluss gab R. zu, dass er seine Story mit Mayer „bei Zeitungen verwerten“ wollte.

Nach knapp dreieinhalb Stunden hatte die Richterin genug gehört und verwies auf den zweiten Verhandlungstag am Mittwoch, 9 Uhr. Dann wird Walter Mayer zu Wort kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2011)

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