Trotz guter Daten rutschten die im österreichischen Leitindex ATX gelisteten Aktien überdurchschnittlich stark ab. Ursachen sind die Risikoaversion institutioneller Investoren und die Lustlosigkeit der Kleinanleger.
Wien. In den vergangenen Tagen brauchten Aktionäre überall auf der Welt gute Nerven. Inhaber österreichischer Aktien mussten jedoch besonders starke Rückschläge verkraften. Seit Jahresanfang liegt der Wiener Leitindex ATX mit fast 30Prozent im Minus. Der Frankfurter DAX verlor im selben Zeitraum 16Prozent. Wer zu Jahresbeginn sein Geld in Schweizer Aktien gesteckt hatte, verlor währungsbereinigt elf Prozent.
Die Ursache dafür, dass es den ATX schwerer als andere erwischte, sieht Raiffeisen-Analyst Peter Brezinschek in der Risikoaversion großer institutioneller Investoren. Diese würden sich generell aus kleineren Märkten mit geringerer Liquidität zurückziehen. Während aber an anderen kleinen Börsen oft heimische Anleger die Rückgänge ein wenig abfedern, mache in Wien die neue Wertpapiersteuer Aktieninvestments für österreichische Privatanleger unattraktiv.
Starke Schwankungen
An kleinen Börsen wie Wien können auch schon geringe Transaktionen große Kursbewegungen auslösen. So kam es in den vergangenen Tagen häufig zu starken Schwankungen. Am Dienstag legte etwa die Andritz-Aktie nach Präsentation guter Zahlen einen regelrechten Zickzackkurs hin.
„Das bedeutet auch, dass es schnell wieder zu einem starken Kursanstieg kommen kann, wenn ein Großinvestor einsteigt“, meint Brezinschek. An seiner ursprünglichen Prognose von 3000Punkten zum Jahresende will der Analyst nicht festhalten. Momentan sehe es aber so aus, als könnte der ATX die Marke von 2000Punkten verteidigen– am Dienstagnachmittag lag er bei 2100Zählern. „Wenn er zum Jahresende um 15Prozent höher liegen sollte als jetzt, würde mich das nicht wundern.“
Angesichts der Nervosität der Märkte könne es aber zwischenzeitlich zu Rückgängen kommen. Erste-Analyst Christoph Schultes sieht die nächste charttechnische Unterstützung bei 2000 bzw. 1940 Punkten. „Hält diese Grenze nicht, kann es technisch gesehen noch einmal deutlich nach unten gehen.“ Doch zeigten einige Indikatoren bereits an, dass die jüngsten Rückgänge übertrieben waren.
Fundamental scheinen die starken Rückgänge der vergangenen Tage seiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt zu sein: Einige Unternehmen wie der Mautspezialist Kapsch TrafficCom würden auch von einer weiteren Krise profitieren, da dann die Staaten versuchen würden, durch Mauteinnahmen zusätzliche Einnahmen zu lukrieren. Die Kapsch-Aktie erholte sich am Dienstag etwas, nachdem sie in den Tagen davor drastisch verloren hatte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2011)