Krawalle weiten sich aus: Drei Tote in Birmingham

Krawalle weiten sich Drei
Krawalle weiten sich Drei(c) AP (Rui Vieira)
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Während in London 16.000 Polizisten für eine relativ ruhige Nacht sorgen, breiten sich die Krawalle auf andere Städte aus. In Birmingham werden drei Männer überfahren, die Polizei ermittelt wegen Mordes.

Die Krawalle in England haben sich in der Nacht auf Mittwoch in die Städte Nordenglands verlagert. Am Rande der schweren Ausschreitungen in Birmingham sind dabei in der Nacht drei Männer mit einem Auto totgefahren worden.

Die Polizei ermittelt wegen Mordes, ein Verdächtiger wurde am Mittwoch festgenommen. Er soll die Opfer im Alter von 20 bis 31 Jahren vorsätzlich getötet haben. Die drei Männer asiatischer Abstammung hatten sich nach einem Moscheebesuch gemeinsam mit etwa 80 anderen zur Bildung einer Bürgerwehr verabredet, um ihre Geschäfte zu schützen.

Zunächst mehrere Autos an den vor den Geschäften ausharrenden Anwohnern vorbeigefahren, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AFP. Die Insassen der Fahrzeuge hätten die Ladenbesitzer dabei beschimpft. Eines der Autos habe dann umgedreht und sei "mit unglaublicher Geschwindigkeit" über den Gehsteig gefahren, habe die Männer mitgerissen und durch die Luft geschleudert. "Sie standen am Rande der Straße und das Auto überfuhr sie einfach", sagte ein weiterer Zeuge. Zwei der Männer waren auf der Stelle tot, der dritte Mann erlag seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Krawalle verlagern sich, Ruhe in London

Großbritannien wurde in der Nacht zum Mittwoch die vierte Nacht in Folge von schweren Ausschreitungen erschüttert. In den vergangenen vier Nächten hat die Polizei in mehreren Großstädten rund 770 Menschen festgenommen. Schauplätze waren zuletzt vor allem die Industrie-Metropolen des Nordens.

In London patrouillierten unterdessen auf Anordnung von Premier David Cameron mehr als 16.000 Polizisten in den Straßen. Im Stadtteil Enfield soll es zu rechtsextremen Protesten gekommen sein, als große Gruppen von Männern durch die Straßen zogen und "England, England" skandierten. Ansonsten soll es nur vereinzelte Vorfälle gegeben haben. 81 Menschen wurden in London festgenommen.

Chaos in Manchesters City

In Manchester liefen hunderte teils maskierte Jugendliche durch das Stadtzentrum, warfen Schaufensterscheiben ein und plünderten Schuh- und Kleidungsgeschäfte sowie einen Elektromarkt. Zudem setzten sie mehrere Gebäude in Brand und schleuderten Wurfgeschoße auf die Polizisten. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften vor Ort im Einsatz. Ein Polizeivertreter sprach von den schwersten Krawallen in Manchester in den vergangenen 30 Jahren.

Ein Anrainer sagte dem britischen Rundfunksender BBC, das Plündern habe über Stunden angehalten, nachdem es den Polizisten nicht gelungen sei, die Masse zurückzuhalten. Der Leiter des größten Einkaufszentrums der Stadt, Glen Barkworth, sagte der BBC, Jugendliche hätten Absperrgitter in die Türen von Geschäften geschleudert.

Molotow-Cocktail auf Polizeistation

Auch in Salford in der Nähe von Manchester und in West Bromwich soll es zu Unruhen gekommen sein. Im zentralenglischen Nottingham griff eine Gruppe von 30 bis 40 Randalierern eine Polizeistation an und setzte sie mit Molotow-Cocktails in Brand. Verletzt wurde niemand, wie die Polizei mitteilte. Das Feuer konnte später gelöscht werden, mindestens acht Menschen wurden festgenommen.

Auch in der zentralenglischen Stadt Wolverhampton wurden Geschäfte ausgeraubt. In West Bromwich und Birmingham wurden Autos angezündet. Es kam auch zu zahlreichen Plünderungen.

Polizei sagte offenbar nicht die Wahrheit

Hintergrund: Kritik an Polizei

Die Randale hatten am Samstag am Rande einer Mahnwache für den von einem Polizisten getöteten Mark Duggan im Londoner Problembezirk Tottenham begonnen. Am Dienstag nahm der Fall eine dramatische Wende, als eine interne Untersuchungskommission einräumte, dass es "keine Beweise" dafür gebe, dass der 29-Jährige Duggan auf die Polizei geschossen hatte. Diese Darstellung widerspricht den anfänglichen Polizeiangaben.
Nach den Krawallen in London haben Kritiker der britischen Polizei vorgeworfen, zu zögerlich auf den Ausbruch der Unruhen reagiert zu haben. An vielen Orten in der britischen Hauptstadt kam es während der Ausschreitungen zu Einsätzen von spontan organisierten Bürgerwehren. Mehr ...

Lehrer als erster angeklagter Plünderer

Als erste Person, die wegen der Plünderungen in London angeklagt wurde, ist am Mittwoch der 31-jährige Lehrer Alexis B. in London vor Gericht gestanden. Der junge Mann aus dem Süden des britischen Hauptstadt war im Stadtteil Croydon verhaftete worden. Er bekannte sich des Einbruchs schuldig, berichtete die Online-Ausgabe der Zeitung "Daily Mirror".

Das Amtsgericht Highbury Corner, wo der Fall behandelt wurde, widmete sich am Mittwoch einer ganzen Serie von Fällen im Zusammenhang mit den Krawallen. Der Angeklagte B. arbeitet laut dem Zeitungsbericht ganztags in einer Volksschule im Londoner Innenstadtviertel Stockwell und lebt mit seinen Eltern. Der Lehrer sei für die Dauer des Verfahrens auf freien Fuß gesetzt worden, unterliege jedoch einer abendlichen Ausgangssperre, heißt es. Das Urteil soll nun vom Strafgericht Wood Green gesprochen werden.

(Ag.)

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