Wenn Lehrer plündern

Die britische Öffentlichkeit ist ob der neuen Details zu den Unruhen schockiert. Eine Lösung hat niemand parat.

Er passt nicht gerade ins Bild des revoltierenden Randalierers, der wegen seiner schlimmen Situation seiner Wut freien Lauf lässt – und dabei das Geschäft um die Ecke ausräumt: Ein 31-jähriger Volksschullehrer ist einer der ersten verhafteten Plünderer, der nun in Großbritannien vor Gericht gestellt worden ist. Und auch ansonsten scheinen die bisher Festgenommenen ein recht bunter Haufen zu sein. Immerhin befinden sich darunter auch ein Elfjähriger und ein 40-jähriger Koch.

Doch genau das macht umso ratloser. Dass sich offenbar „ganz normale“ Leute an den Unruhen beteiligt haben, schockiert Großbritanniens Öffentlichkeit. Premier David Cameron bezeichnete in einer ersten Reaktion sogar „Teile der Gesellschaft“ als „krank“. Was auch immer der Regierungschef mit dieser Diagnose im Detail meinen mag. Eine Medizin für diese „Krankheit“ hat er nicht parat – ebenso wenig wie die Opposition.

Teile der Labour-Party werfen der Regierung vor, ihr Sparpaket habe die Wut in den Straßen der britischen Städte erst so richtig entfacht. Dass dieses Sparpaket freilich angesichts der prekären Budgetlage unumgänglich war und wohl auch von einer Labour-Regierung durchgezogen worden wäre, erwähnen sie nicht.

Die Unruhen sind zu dramatisch, als dass sie als Munition für die tagespolitischen Auseinandersetzungen benutzt werden dürfen. Vor allem, da sie zeigen, wie dünn die sogenannte „Zivilisationsdecke“ ist. Wie rasch offenbar „ganz normale“ Menschen bereit sind, Feuer zu legen und zu plündern, wenn sich Gelegenheit bietet. Auch in den Straßen Großbritanniens.

wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2011)

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