Frankreich, Italien, Spanien und Belgien verbieten Leerverkäufe bestimmter Aktien. In Wien sind ungedeckte Leerverkäufe von Finanztiteln schon seit drei Jahren verboten. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist umstritten.
Berlin/Paris/Rom/Ag./B.l. Um weitere Kursturbulenzen an den Börsen zu verhindern, haben Italien, Frankreich, Spanien und Belgien Leerverkäufe auf Finanzaktien (Banken und Versicherungen) vorerst verboten. In Österreich sind ungedeckte Leerverkäufe von Erste Group, Raiffeisen, Uniqa und Vienna Insurance Group schon seit 2008 verboten. Das Verbot wird jeweils um ein halbes Jahr verlängert und gilt vorerst bis 30. November 2011.
Mit Leerverkäufen kann man auf fallende Kurse wetten: Dabei verkauft man Aktien, die man gar nicht hat. Dann wartet man, bis der Kurs gefallen ist, und liefert sie zu einem niedrigeren Preis nach. Bei gedeckten Leerverkäufen leiht man sich Aktien aus, bei ungedeckten verkauft man Aktien, die man tatsächlich nicht hat. Leerverkäufe können Kursrückgänge beschleunigen. Ob ein Verbot derartige Kursturbulenzen verhindern kann, ist mehr als umstritten: So kam eine Studie der EU-Kommission, wie im Vorjahr berichtet, zu dem Schluss, dass den ungedeckten Handel mit Ausfallsversicherungen (CDS) für Staatsanleihen keine Schuld an der Griechenland-Krise treffe. Dafür sei der Markt viel zu klein. Ohne derartige Versicherungen könnten sich Kursrückgänge sogar beschleunigen, da die Investoren sich dann nicht mehr so leicht dagegen versichern können und lieber gleich ihre Papiere auf den Markt werfen.
Kritik aus den Niederlanden
Kritiker meinen, dass das diesmal erst recht der Fall sein könnte, da weniger Hedgefonds auf einen Kursverfall wetten als normale Investmentfonds, die sich gegen Verluste absichern wollen. Auch seien Verbote wirkungslos, da man die Aktien an anderen Börsen, etwa in London, leer verkaufen könne.Deutschland, wo ungedeckte Leerverkäufe seit einem Jahr verboten und gedeckte meldepflichtig sind, setzt sich für ein europaweites Verbot von ungedeckten Leerverkäufen ein. „Nur so kann einer destruktiven Spekulation überzeugend begegnet werden“, sagte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums zur Agentur Reuters. Kritik kommt aus den Niederlanden: Die dortige Börsenaufsicht will kein Verbot erlassen. „Unter normalen Umständen“ würden Leerverkäufe eine wichtige Rolle bei der Preisfindung spielen, hieß es.
Die französische Börsenaufsicht AMF hat ein vorerst 15-tägiges Verbot von Leerverkäufen für die Aktien von elf Banken und Versicherern angekündigt. Am Mittwoch hatten Gerüchte über angebliche Zahlungsschwierigkeiten der Großbank Société Générale eine Verkaufslawine bei europäischen Aktientiteln losgetreten. Diese dürfte aber nicht allein durch Leerverkäufe verstärkt worden sein, sondern auch durch eine Reihe von automatischen Verlustbegrenzungen (Stop-Loss-Orders). Die Europäische Börsenaufsichtsbehörde ESMA kritisierte, dass Leerverkäufe oft zur Marktmanipulation eingesetzt würden: Derzeit reagierten die Märkte äußerst nervös auf jedes Gerücht. Leerverkäufer könnten diese Situation nützen, Gerüchte streuen und so zum Kursverfall beitragen.
Auch 16 spanische und 29 italienische Finanztitel sollen 15 Tage lang vor Leerverkäufen geschützt werden, vier belgische für unbestimmte Zeit. Griechenland und Portugal haben solche Schritte vor einiger Zeit gesetzt. In der ersten Handelsstunde am Freitag sah es nicht so aus, als hätte die Politik damit die Märkte beruhigt: Die Kurse französischer, italienischer und spanischer Banken waren heftigen Schwankungen ausgesetzt. Bis zum Nachmittag beruhigten sie sich aber. Kommentar auf Seite 11
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2011)