Nach Dachdecker R. belasteten auch ein ehemaliger ÖSV-Wachsler und eine weitere Zeugin Walter Mayer, seine Verteidiger pochten dennoch auf „Freispruch wegen mangelndem Straftatbestand“.
Wien. Die Härte des Gesetzes kennt auch bei unerträglicher Hitze kein Erbarmen. Und so kamen am dritten Verhandlungstag des Strafprozesses rund um Ex-ÖSV-Langlauftrainer Walter Mayer alle Anwesenden im Verhandlungssaal 211 des Straflandesgerichts gehörig ins Schwitzen. Auch war bei den für Mittwoch geladenen Zeugen Sitzfleisch gefragt. Ihre Auftritte verspäteten sich jeweils um knapp zweieinhalb Stunden.
Mayer und vier weiteren Angeklagten werden Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (§5a) und das Antidopinggesetz (§22 a) vorgeworfen. Mayer drohen im Falle eines Schuldspruchs bis zu drei Jahre Haft. Für alle Personen gilt die Unschuldsvermutung.
Glaubwürdigkeit des Kronzeugen bröckelt
Zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde stellte Mayers auf zwei Anwälte und eine Konzipientin angewachsenes Verteidigerkorps 34 Minuten lang Anträge. Allen voran stand die Forderung nach „Freispruch wegen mangelndem Straftatbestand“. Da die Sportler Christian Hoffmann, Roland Diethard und Wolfgang Perner oder Humanplasma-Geschäftsführer Rudolf Meixner der Verhandlung entschuldigt fernblieben, geriet der von Richterin Katharina Lewy ins Auge gefasste Plan, schon am Mittwoch das Urteil verkünden zu wollen, vorerst ins Hintertreffen.
Dabei hatte es nach der Vernehmung des ersten Zeugen, dem 42-jährigen Bernhard M., nach einer Trendwende ausgesehen. Denn M. erschütterte die Glaubwürdigkeit des mitangeklagten Dachdeckers Karlheinz R., zugleich Kronzeuge der Anklage. M. widersprach R., dass er bereits 2005 den Kontakt zwischen dem Apotheker A. und ihm hergestellt habe. Auch auf die Frage, ob er wisse, dass Mayer der Abnehmer gewesen sein soll, ließ M. aufhorchen. „Das habe ich nur von Erzählungen von R. gehört. Ob es stimmt, weiß ich nicht.“
Mayer sah sich bestätigt und forderte seine Verteidiger auf, „sofort unsere Fragen zu fragen, die sind doch eh watscheneinfach.“ So leicht liefen sie dann aber doch nicht vom Ruder, schon gar nicht, als R.'s ehemalige Lebensgefährtin in der Mitte des Saales Platz nahm. Ja, erklärte Gerlinde S., in ihrem Kühlschrank wurden ab 2005 Dopingmittel in Schachteln gehortet. Auch EPO, das habe ihr R. später gestanden. Und ja, Walter Mayer habe Schachteln und Kühlboxen mitgenommen. Um welche Mittel es sich jedoch gehandelt habe, wusste S. nicht.
R. schüttelte daraufhin solange den Kopf, bis S. der Kragen platzte: „Ich weiß doch nicht, was ihr zwei (R. und Mayer, Anm.) miteinander habt's. Das geht mich nichts an.“ Auch habe sie nie echtes noch „als EPO getarntes Katzenfutter“ per Post verschickt oder Informationen über das Wohlbefinden der beiden Mekong-Katzen „Garfield und Cindy“, die Mayer von R. gekauft hat, erhalten.
Der lange Schatten von Salt Lake City
Mayer verfolgte das Treiben ruhig. Solange, bis der ehemalige ÖSV-Wachsler Johannes O. auftrat und Zündstoff lieferte. „Ich habe 2002 in Salt Lake City gesehen, wie Mayer Christian Hoffmann in unserem Container bei einer Infusion geholfen hat.“ Mayer war erbost, kaum zu beruhigen. „Das ist ein Racheakt“, polterte der 54-Jährige, „weil sein Vertrag nicht verlängert wurde.“ O. sah es anders. Dieser Vorfall trug maßgeblich zu seinem Ausscheiden aus dem ÖSV bei, erklärte der Finanzbeamte. „Ich hatte den Eindruck, dass die ÖSV-Verbandsspitze seine Machenschaften geduldet hat.“ Ein von Mayer gegen O. wegen Verleumdung in Leoben eingereichter Strafantrag wurde übrigens eingestellt.
Warum, das ist für Mayer in seinem Prozess ebenso strafrechtlich nicht relevant wie die Tatsache, welche Dopingmittel vor August 2008 im Spiel gewesen sein könnten. Allerdings tragen alle Zeugenaussagen sukzessive dazu bei, seine Glaubwürdigkeit zu schmälern. „Lügt jetzt auch noch der Herr O.?“, fragte also Richterin Lewy und blickte zu Mayer. „Ja. Wie gedruckt.“
Die Aussagen von Ludwig Gredler, Alois Stadlober und Jürgen Pinter lieferten keine neuen Aufschlüsse. Sie beteuerten, nie mit Doping in Berührung gekommen zu sein, geschweige denn Substanzen in Verkehr gebracht zu haben. Mayer quittierte es nickend, sein Prozess aber geht weiter. „Egal. Wenn's kein lupenreiner Freispruch wird, gehe ich ohnehin in die nächste Instanz.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2011)