Klaus Steiner, der erste Donaukanalkoordinator der Stadt, erklärt im Interview, wer wie von der Szene am Donaukanal profitiert, warum die Stadt dort gern Geld liegen lässt und was er von seinem Nachfolger hält.
Die Presse: Waren Sie zuletzt am Donaukanal?
Klaus Steiner: Ja, zum Radfahren.
Und wie war Ihr Eindruck?
Ein Sammelsurium von Gastronomieeinrichtungen, beim Radfahren wird man ununterbrochen durch Tische irritiert. Gut finde ich nur das Badeschiff, weil man da schwimmen kann, der Donaukanal selbst ist ja zu dreckig. Wasser in der Stadt sollte man immer nutzungsgemäß gestalten. Deswegen bin ich auch sauer auf den Schiffsanlegewulst am Schwedenplatz. Statt dass man Wasser und Stadt zusammenbringt, hat man ein Schickimicki-Wirtshaus hingebaut, wo unten halt zufällig ein Schiff anlegt. Das ist kein Fehler der Architektur, sondern der Stadtplanung.
Sie sprechen da aus Erfahrung. Sie waren der erste Donaukanalkoordinator. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich war Planer für die Expo. Als die abgesagt wurde, habe ich mir Aufgaben gesucht. Auf den Donaukanal bin ich gekommen, weil eine Bekannte dort laufen war und mehrmals belästigt wurde. Da habe ich mir gedacht: Der Donaukanal ist abschnittsweise sehr schön, sehr grün, man müsste nur in Abständen ein Telefonhäuschen, ein Klosett, also einen Punkt machen, wo man hingehen kann, wenn man ein Problem hat. Das hat sich dann zu vielen Ideen ausgewachsen.
Zum Beispiel?
Mein Schwerpunkt war die Nussdorfer Wehr-Insel, einer der attraktivsten Orte in Wien. Und wie wird sie genutzt? Die MA48 stellt ihre Müllwagen ab. Wir hatten vor, alle Einrichtungen auf der Insel über eine Turbine in der Schleuse mit Strom zu versorgen und hätten eine Regattastrecke betrieben. Es gab auch Ideen für ein Max-Raabe-Konzertcafé im Schützenhaus. Finanzieren wollte ich das über Public Private Partnerships – so, dass die Stadt einen Gewinn hat. Der Plan war: Wer in prominenter Lage eine Nutzung realisieren darf, zahlt Abgaben in einen Topf, der Investitionen am Donaukanal speist. Ich bin damit aber schnell gescheitert.
Warum?
Weil ich der Mehrheit im Rathaus ins Geschäft gepfuscht hätte. Politiker, die bei Baugenehmigungen und Flächenwidmung mitwirken, erhoffen sich ein Körberlgeld – nicht für sich, sondern als Leistungen für die Stadt: Verkehrsleitanlagen, Lichtsignalanlagen etc. Das wäre unterbrochen worden, vielleicht beispielgebend für ganz Wien. Das wollten die Bezirkspolitiker nicht, die wollen ja mitreden, nicht? Der derzeitige Donaukanalkoordinator ist nur der siebente Zwerg von links, der folgt brav und wartet auf die politischen Wünsche.
Derzeit investiert die Stadt viel in die Donaukanal-Infrastruktur, und manche Lokalbetreiber zahlen günstige Pacht.
Wien schmeißt Steuergeld hinaus – das könnte man von diesen Leuten lukrieren.
Warum sollte Wien das tun?
Da gibt es etwa viele Politikerkinder, die ins Erwachsenenalter kommen – ich nenne keine Beispiele, es betrifft Rote wie Schwarze. Und es gibt hunderte Leute, die auf den Knien ins Rathaus rutschen und etwas wollen. All diese Abhängigkeiten sind viel wichtiger als die Einnahmen, die man erzielen könnte.
Also kann man am Kanal nur mit guten Kontakten zum Rathaus etwas werden.
So ist es – vielleicht mit Ausnahme vom Flex.
Auf der Donauinsel wurde das private Weiterverpachten öffentlichen Grundes– Stichwort Copa Cagrana – zum Problem. Am Donaukanal gibt es Ähnliches – wie die Summerstage...
...der (Anm.: Summerstage-Gastronom Ossi Schellmann) hat geradezu einen Sitz im Gemeinderat. Dass man Verträge mit Möglichkeiten der Weitergabe bekommt und so sein Einkommen multiplizieren kann, ist ein Problem. Wenn Sie heute eine Wohnung mieten, steht im Vertrag: keine Untervermietung. Wien macht das immer noch.
Wie müsste man es richtig machen?
Wien müsste den Donaukanal anschauen und fragen: Was will ich?
Es gibt einen Masterplan.
Ein Sammelsurium bestehender Dinge ohne Rechtskraft. Wenn Samy Molcho heute sagt, ich möchte in der Freudenau auch noch ein Lokal machen... So schnell können Sie nicht schauen.
Setzen Sie Hoffnungen auf Maria Vassilakou? Die hat vor der Wahl die Lokalvergabe am Donaukanal kritisiert.
Nein. Die Grünen sind angepasst, damit sie in der Regierung bleiben. Die werden nichts machen.
Zur Person
Klaus Steiner war ein bekannt kriti-scher Stadtplaner im Rathaus. Er war etwa für die (1991 abgesagte) Expo zuständig. Danach widmete er sich Sonderaufgaben wie dem Donaukanal. 2001 wurde er erster offizieller Donaukanalkoordinator, 2003 ging er in den Ruhestand. [Reither]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2011)