Wien verzichtet vorerst auf Franken-Neuverschuldung

Wien, Wohnen, Immobilien, RathausFoto: Clemens Fabry
Wien, Wohnen, Immobilien, RathausFoto: Clemens Fabry(c) (Fabry Clemens)
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Rathaus-Finanzdirektor Neidinger will keine neuen Fremdwährungskredite in Schweizer Franken aufnehmen. Der Verzicht könnte aber theoretisch sogar Geld kosten.

Nachdem Fremdwährungskredite ins Gerede gekommen sind, ändert auch Österreichs größte Gemeinde ihre Strategie: Die Stadt Wien verzichtet vorerst auf eine Neuverschuldung in Schweizer Franken. Das hat Rathaus-Finanzdirektor Richard Neidinger betont. Derzeit läuft rund die Hälfte der städtischen Darlehen (Gesamtschuldenstand 2010: 3,07 Milliarden Euro) in Franken. Der Verzicht auf Neuaufnahmen könnte die Stadt theoretisch sogar Geld kosten: Denn für Gebietskörperschaften wäre jetzt gar kein schlechter Zeitpunkt, um Franken-Kredite aufzunehmen.

Im Rathaus wird jedenfalls versichert, dass die Franken-Darlehen auch bisher ein gutes Geschäft waren. In den vergangenen zehn Jahren betrug der Zinsvorteil - im Vergleich zu einem Euro-Darlehen - laut Neidinger rund 220 Millionen Euro. "Wir sind nicht gezwungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen", verwies der Finanzdirektor auf die für Gebietskörperschaften günstigen Rahmenbedingungen. Private haben einen derartigen Spielraum nicht, ihnen kann ein hoher Franken-Kurs massive Mehrkosten bringen, da der Kredit laufend oder zu einem bestimmten Termin zurückgezahlt werden muss.

Bereits einmal, in den Jahren 2001 bis 2003, seien wegen des schlechten Kurses die Rückführungen ausgesetzt worden. Durch diese Aufschiebung habe man sich rund 30 Mio. Euro erspart, so Neidinger. Generell versuche die Stadt, einen Mix zu erreichen, betonte der Finanzdirektor. Was bedeutet: Es gibt Euro- und Frankendarlehen sowie kurz- und mittelfristige Finanzierungen. Wobei derzeit nicht getilgt, sondern bei Ablauf durch einen neuen Kredit refinanziert wird - jeweils beim selben Institut, bei dem das Darlehen aufgenommen wurde.

Schuldenabbau erst wieder 2015 oder 2016

Somit wird die Refinanzierung bei Frankenkrediten auch wieder in Schweizer Franken durchgeführt: "Das machen wir, solange der Zinssatz so günstig ist." Der ist in der Schweiz nämlich auf einem Rekordtief. Einem unmittelbarem Kursrisiko ist man bei der Refinanzierung nicht ausgesetzt. Und an eine Tilgung denkt Wien derzeit ohnehin nicht, was weniger mit Währungsverhältnissen, sondern laut Neidinger mit der Wirtschaftslage zu tun hat: "Wir werden erst 2015 oder 2016 wieder Schulden abbauen können." Der hohe Franken-Kurs bedeute somit derzeit keinen Verlust, wird im Rathaus versichert.

Derzeit wachsen die Verbindlichkeiten alljährlich: 2010 lag die Neuverschuldung bei 781 Mio. Euro. Euro. Heuer sind laut Budgetvoranschlag 621,3 Mio. Euro Neuaufnahmen vorgesehen. Wegen der niedrigen Zinsen und des hohen Franken-Kurses könnte eine neuerliche Verschuldung in der Schweizer Währung sogar sinnvoll sein. Denn die Kurse könnten auch bald wieder fallen, da die Schweiz unter der Euro-Schwäche leidet und gegensteuern will. Die Rückzahlung von Franken-Krediten würde dadurch billiger.

Politische Gründe

Dass aber auf das Geld vom Nachbarn verzichtet wird, hat wohl eher politische Gründe. Denn von der Opposition und auch von einigen Medien war Finanzstadträtin Renate Brauner zuletzt in dieser Sache ins Visier genommen worden. Und auch der Koalitionspartner, die Wiener Grünen, scheinen wenig Freude mit dieser Art der Finanzierung haben. "Diese Art des Haushaltens ist gefährlich", hatte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou erst kürzlich in einem Interview erklärt.

Mit tatsächlich hochspekulativen Geschäften hat man im Büro des Finanzdirektors aber nichts am Hut, wie dort beteuert wird. Derivatgeschäfte, wie es sie etwa in Linz gegeben habe, führe Wien nicht durch, hieß es.

Risiko bleibt bestehen

Die Aufnahme von Krediten in Schweizer Franken könnte derzeit durchaus vernünftig sein, ist für Gebietskörperschaften aber "politisch nicht mehr opportun", betonte Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Sollte das Verhältnis Euro-Franken auf ein normales Gleichgewicht einschwenken, könnte ein Kreditnehmer davon profitieren. Doch auch ein Fremdwährungskredit sei eine Wette, gab er zu bedenken.

Denn dass der Kurs bald wieder falle, sei keineswegs fix - auch wenn die Schweiz derzeit Maßnahmen trifft, um ihre Landeswährung wieder zu schwächen. Dort wird sogar über Negativzinsen diskutiert. "Die hat es vor vielen Jahren schon einmal gegeben", so Hahn. Trotzdem könne nicht vorhergesagt werden, wie sich der Kurs entwickle, auch wenn vieles dafür spreche, dass er sich wieder ausgleiche.

Länder oder Kommunen möchten derzeit keinesfalls den Eindruck erwecken, besonders risikoreich zu finanzieren. Dazu würden Geschäfte wie jenes in Linz beitragen, zeigte sich Hahn überzeugt. In Oberösterreich sorgt ein Swap-Vertrag aus dem Jahr 2007 für Debatten. Die Stadt Linz hat zur Absicherung einer auslaufenden Kreditlinie über 195 Millionen Schweizer Franken (damaliger Kurs: 152 Millionen Euro) mit der BAWAG eine Art Kurs-Zins-Wette abgeschlossen. Durch den Kursanstieg des Franken wäre ein Betrag zu zahlen, der weit über jenem der Kreditschuld liegt.

(APA)

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