Alte Donau: Baden in historischen Dimensionen

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Baden, wo einst der Kaiser Franz Josef I die Donau regulieren ließ: Die Uferlandschaft der Alten Donau gilt als Bäderhochburg, das Gänsehäufel als Wiener Institution - pro Tag suchen 25.000 Menschen Abkühlung.

Wien. Wien, Reichs- und Residenzhauptstadt der Habsburger am 14.Mai 1870: Kaiser Franz Josef I. nimmt einen Spatenstich vor– damit beginnt in der Schwimmschulallee (heutige Lassallestraße, 2.Bezirk) ein ehrgeiziges Bauprojekt, dessen Ausführung fünf Jahre dauern sollte. Die Donau wurde „reguliert“. Beauftragt war das renommierte französische Bauunternehmen Castor, Hersent & Couvreux; dieses hatte bereits am kurz zuvor fertiggestellten Suezkanal mitgearbeitet.

30.Mai 1875: Wieder zeigt sich der Monarch seinen Völkern. Er nimmt die Eröffnung der neuen Wasserstraße vor: Die Donau fließt in einem neuen Bett. Der für Überschwemmungen anfällige Flussbogen im nordöstlichen Wien ist nun vom Hauptstrom getrennt. Damals kann der Kaiser freilich nicht ahnen, dass eben dieses von angeschwemmten Schotterinseln (wienerisch: „Haufen“) charakterisierte Flussgebiet, die nunmehr „Alte Donau“, in den kommenden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Erholungsgebiete der Großstadt werden sollte.

Heutzutage steht das Gebiet um die Alte Donau einerseits für Baden und Freizeit – und weckt immer noch Erinnerungen an die eben dort gedrehte 1990er-Jahre-TV-Serie „Kaisermühlen Blues“. Andererseits spiegelt die Gegend, die sich über Teile des 21.Bezirks (Floridsdorf) und des 22.Bezirks (Donaustadt) erstreckt, das moderne Antlitz der Bundeshauptstadt wider: Die Wohn- und Bürotürme auf der Donauplatte (weltbekannt: die UNO-City), die sowohl die Alte Donau (plus Kaiserwasser) als auch den Hauptstrom des Flusses und die Neue Donau überragen, schaffen eine immer üppiger werdende Skyline – in der Nachbarschaft des 1964 eröffneten, 252Meter hohen Donauturms, des höchsten Bauwerks Österreichs. So fügt es sich, dass ebendort gerade die höchsten Bürotürme Österreichs, die vom französischen Stararchitekten Dominique Perrault entworfenen DC Towers, hochgezogen werden. Der DC Tower 1 soll mit seinen 220Metern ab 2013 das höchste Gebäude Österreichs sein, der DC Tower 2 (168 Meter) folgt danach.

Ein „Haufen“ für die Gänse

Als wahre Institution an der Alten Donau gilt eines der größten Bäder Europas: das städtische Strandbad Gänsehäufel. An starken Sonnentagen – also dieser Tage – kommen jeweils um die 25.000 Gäste auf die Badeinsel. Eine historische Marke liefert der 22.Juni 2008 mit 31.553 Besuchern. Die durchschnittliche Besucher-Jahresfrequenz liegt bei 550.000 Personen pro Saison. Und ja: Badebetriebsmeister Robert Swoboda rechnet fix damit, dass auch heuer (das Gänsehäufel hat noch bis 18.September geöffnet) trotz Regens im Juli dieser Jahresdurchschnitt erzielt wird. Um die Institution Gänsehäufel zu verstehen (immerhin hat Wien 49Bäder!), empfiehlt sich erneut ein Blick in die Vergangenheit. Seinen Namen verdankt die einst wilde, dicht bewachsene Donauinsel jenen Bauern, die im 19.Jahrhundert ihre Gänse ebendort weiden ließen. Verniedlichend wurde aus dem „Gänsehaufen“ alsbald das „Gänsehäufel“.

Ein Exzentriker badet im Sand

Nachdem dieser Flecken Land durch die Donauregulierung gleichsam links liegen gelassen worden war, entdeckte 1900 der exzentrische Waldviertler Naturheiler Florian Berndl die Insel und propagierte „Sonnen- und Sandbäder“. Zudem vertrat der rasch zum Wiener Original ernannte „Sanddoktor“ freizügige Lebensformen. Dies missfiel der konservativ-bürgerlichen Wiener Gesellschaft. So beschloss die Stadt, das Areal selber in Besitz zu nehmen. Sie verdrängte Berndl und dessen „Kolonie“, die von vielen heute noch als Urzelle der Wiener Freikörperkultur angesehen wird.

Am 5.August 1907 wurde das erste Gemeindebad Europas, das „Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel“ errichtet. Für Frauen und Männer gab es getrennte Eingänge, nur das Familienbad durften beide Geschlechter benutzen. Die Chronik kündet von wundersamen (weil auf der Zufahrt zum Bad abgesprochenen) Eheschließungen, mit dem Ziel gemeinsam baden zu dürfen.

Das Bad, Hort sozialistischen Selbstbewusstseins, wuchs und wuchs – bis es durch ein Bombardement im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Der Neuaufbau folgte. 1950 wurde es wiedereröffnet. In diesen Jahren wehte bereits am Praterstern eine blaue Flagge – wenn das Gänsehäufel voll war. Mit Einführung einer „Wiesenkarte“ in den 1980er-Jahren machte sich der Badebetrieb von der Anzahl der Kästchen und Kabinen unabhängig – und die blaue Flagge wurde abgeschafft. Laut Betriebsleiter Swoboda würde das Bad „locker auch 50.000 Personen“ pro Tag schaffen. Übrigens: Wegen der großen Nachfrage muss man etwa fünf Jahre warten, bis man eine der 290 sogenannten Vorbaukabinen („Kabanen“) saisonweise mieten kann.

Aber freilich ist da nicht nur das Gänsehäufel. Die Alte Donau stellt sich (inklusive Gastronomie, Segel- und Ruderboot-Verleihstellen) als wahre Bäderhochburg dar. Nicht weniger als elf Bäder, zum Beispiel das Angelibad, das Eisenbahnerbad, das Arbeiterstrandbad, das Strandbad Alte Donau, das Polizeisportbad, das Straßenbahnerbad und so weiter und so fort sind hier angesiedelt.

Die Wasserqualität in der Alten Donau wird derzeit von der Stadt (MA 44) stolz mit jener des Mondsees verglichen. Das Algenproblem, das 1993 am Höhepunkt war, ist unter Kontrolle. Damals „kippte“ das Wasser, da mikroskopisch kleine Blaualgen überhandgenommen hatten (diese enthalten außer blauen auch gelbe Farbstoffe). Dies führte zu einer starken Gelbfärbung des Wassers. Auch der übermäßige Wuchs der (für das Gewässer wichtigen) Schlingpflanzen (Makrophyten) wird seither verhindert. Mähboote holen jedes Jahr tonnenweise hochwachsende Algen aus der Alten Donau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. August 2011)

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