Budgetkatastrophen spielen sich in Bundesländern ab

(c) APA (HELMUT FOHRINGER)
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Schlüssel zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen liegt in einer ordentlichen Föderalismusreform. Staatsfinanzenkrise kann nicht mit Finanztransaktionsbesteuerung und Reichen-Schröpfen aus gesessen werden.

Wir haben das TripleA nicht gepachtet“: Der Mann, der mit diesen Worten neulich in Alpbach die österreichische Selbstgefälligkeit in Sachen Krisenbewältigung aufs Korn nahm, heißt Bernhard Felderer und ist Chef des Staatsschuldenausschusses. Wenn dem besonnenen Professor, der als „embedded scientist“ (der „Staatsschuldenpapst“ wird von der Bundesregierung bestellt) ja nicht gerade regierungsfern agiert, zu solch deutlichen Worten greift, dann sollte man langsam nach dem Feuer auf dem Dach Ausschau halten.

Tatsächlich wird es langsam unerträglich, wie uns ein reformresistenter Bundeskanzler und dessen nicht weniger innovationslahmer Vize weismachen wollen, es sei ohnehin alles paletti. Und man könne diese Staatsfinanzenkrise mit ein bisschen Finanztransaktionsbesteuerung und ein wenig Reichen-Schröpfen aussitzen.

Felderer hat in Alpbach längst fällige Reformen im Sozialbereich angesprochen, deren konsequente Verweigerung unter anderem die Finanzierbarkeit des Gesundheits- und des Pensionssystems gefährdet. Wichtiger wäre aber wohl eine ordentliche Föderalismusreform. Denn der wahre Schuldenwahnsinn spielt sich derzeit ein wenig abseits der Scheinwerferkegel in den Bundesländern ab. Während in der Eurozone die verfassungsmäßige Verankerung von „Schuldenbremsen“ diskutiert wird, wird in den Landesfürstentümern Geld verbrannt, als gäbe es kein Morgen.

Man muss sich nur die bereits veröffentlichten Rechnungsabschlüsse der Bundesländer für das Jahr 2010 ansehen, um in tiefste Depression zu verfallen. Den von Wien etwa, wo es gelungen ist, den Schuldenstand binnen eines einzigen Jahres um 1,2 Milliarden Euro oder 66 Prozent (!) nach oben schnellen zu lassen. Und wo es die zuständige Stadträtin, ohne dass brüllendes Gelächter ausbricht, „vorsichtige Konsolidierung“ nennen kann, wenn die Pläne für heuer nur noch eine Neuverschuldung von 600 Millionen, also eine weitere Erhöhung des Schuldenstandes um 20 Prozent, vorsehen.

Oder den von Niederösterreich, wo das Land schon wieder zehn Prozent mehr ausgegeben als eingenommen hat und den Gesamtschuldenstand so um fast 20Prozent hochtreibt. Vielleicht auch den von Kärnten: Das ist jenes Bundesland, das wegen eingegangener aberwitziger Hypo-Haftungen de facto vom Bund vor der Landespleite gerettet werden musste – und immer noch um sechs Prozent mehr ausgibt, als es einnimmt. Das sieht alles ein bisschen nach fahrlässiger Krida aus. In der Finanzlücke Wiens sind übrigens 233 Millionen Euro hypothetischer (weil noch nicht realisierter) Währungsverluste aus Devisentermingeschäften (nichts anderes ist nämlich ein Franken-Kredit) enthalten. Das passt ganz gut zu den in Niederösterreich verzockten Wohnbaugeldern und zu den zahlreichen Cross-Border-Leasing-Flops von Gemeinden und Betrieben im Einflussbereich der öffentlichen Hand.

Wenn der Bundeskanzler also demnächst wieder einmal seine Gerechtigkeitsplatte auflegt und zur Spekulantenhatz bläst, dann könnte er gleich einmal bei den zahlreichen Zockern im Bereich des Bundes, der Länder und vieler Gemeinden anfangen. Die unterscheiden sich von den angeprangerten „Heuschrecken“ nämlich nur in einem Punkt: Sie fallen auf Steuerzahlerkosten regelmäßig auf die Nase. Immer wird sich das durch inflationstreibende Gebührenschübe wie aktuell in Wien nicht ausgleichen lassen.

Dass das geschieht, ist freilich nicht anzunehmen: Gerade erst hat es die Finanzministerin abgelehnt, die Zweckbindung für Wohnbauförderungsgelder wieder einzuführen. Zur Erinnerung: Diese werden per Wohnbauförderungsbeitrag von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als fixer Anteil an der Lohnsumme aufgebracht, erhöhen also die Lohnnebenkosten um exakt einen Prozentpunkt. Das wäre verschmerzbar, würden sie für Wohnbau oder Bausanierung eingesetzt werden: Dort hätten sie nämlich eine stark arbeitsplatzfördernde Wirkung.

Freilich: Die Zweckbindung ist längst aufgehoben. Und viele Bundesländer haben seither ihre aushaftenden Darlehen „verkauft“ und verwenden sie als „Spielmasse“ für (meist verlustreiche) Finanzmarktzockereien. Statt die Rückflüsse, wie ursprünglich geplant, für die Wohnbauförderung zu verwenden.

Kurz und gut: Solange den außer Rand und Band geratenen Ländern nicht finanzielle Fesseln angelegt werden, kann der Bund seine Budgetsanierung vergessen. Und die Gesundheits- und Pensionsreform dazu. Denn auch dort bremsen einige Landesfürsten, was das Zeug hält. Der Schlüssel zur Staatssanierung liegt also in einer Föderalismusreform. Wenn die nicht gelingt, können wir uns ganz einfach ausrechnen, wann die Kreditwürdigkeit – und damit das TripleA – der Republik dahin ist.


E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2011)

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