Altkanzler Kohl: "Merkels Außenpolitik ohne Kompass"

Altkanzler Kohl:
Altkanzler Kohl: "Merkels Außenpolitik ohne Kompass"Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Helmut Kohl (c) EPA (Roland Holschneider)
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Helmut Kohl übt scharfe Kritik an Deutschlands CDU-Kanzlerin Angela Merkel. "Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen", kontert Merkel.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die scharfe Kritik von Altkanzler Helmut Kohl (beide CDU) an einem fehlenden "Kompass" in der Außenpolitik zurückhaltend, aber inhaltlich klar zurückgewiesen. "Die Verdienste Helmut Kohls als Kanzler der deutschen Einheit und der europäischen Einigung sind nicht hoch genug einzuschätzen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe). Die CDU-Chefin fügte aber hinzu: "Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen. Die christlich-liberale Bundesregierung arbeitet daran, die Herausforderungen unserer Zeit zusammen mit unseren Partnern in Europa und der Welt entschlossen zu meistern."

Auch Westerwelle wehrt sich

Archivbild: Helmut Kohl und Angela Merkel im Jahr 2005
Archivbild: Helmut Kohl und Angela Merkel im Jahr 2005(c) AP

Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich am Mittwochabend im ZDF ähnlich geäußert und gesagt, von einem außenpolitischen Kurswechsel könne keine Rede sein. "Für uns ist nicht nur entscheidend, dass wir alte Partnerschaften pflegen, Freundschaften vertiefen, sondern in der Welt des 21. Jahrhunderts ist es auch notwendig, die neuen Kraftzentren der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Partnerschaften aufzubauen", sagte er. "Das ist kein Kurswechsel, das ist auch nicht das Vergessen unseres Kurses oder unseres Kompasses, sondern das ist die schlichte Erkenntnis einer neuen Zeit."

Derzeit werde eine "neue Weltarchitektur" geschmiedet mit erfolgreichen Ländern in Asien, Lateinamerika, Afrika oder an anderer Stelle, sagte Westerwelle. "Wir müssen als ein Exportland, als ein Land, das von der internationalen Vernetzung lebt, auch zu diesen neuen Kraftzentren strategische Partnerschaften schmieden. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht unsere Bündnispartner kennen würden." Kohl war von 1982 bis 1998 deutscher Bundeskanzler.

Auch die Kritik Kohls an der deutschen Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz der Nato wies der Minister zurück. Deutschland habe mit seiner Sanktionspolitik politische Maßnahmen präferiert, die nicht zu unterschätzen seien. Zugleich bekräftigte Westerwelle, dass er die Kritik Kohls an der Aufweichung des europäischen Stabilitätspaktes ausdrücklich unterstütze.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe widersprach Kohls Thesen ebenfalls. "Die von Helmut Kohl genannten Grundprinzipien deutscher Außenpolitik - wie die transatlantische Partnerschaft, die Einigung Europas und die deutsch-französische Freundschaft - bestimmen auch heute das Handeln der Regierung von Angela Merkel", sagte er der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstag-Ausgabe).

Harte Kritik von Helmut Kohl

Ohne Merkel direkt zu nennen, hatte Kohl in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Zeitschrift "Internationale Politik" beklagt, der deutschen Regierung fehle der politische Kompass. Indirekt warf er Merkel auch vor, keinen Führungs- und Gestaltungswillen zu haben. Der 81-Jährige kritisierte neben der deutschen Enthaltung im Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz der Nato auch eine Verschlechterung in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Die Abschaffung der Wehrpflicht nannte er einen Fehler.

Seiner direkten Nachfolgerregierung, der rot-grünen Koalition unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, hielt er Fehler bei der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone vor. Trotzdem mahnte er nun dringend zur Solidarität mit Griechenland und zur Rettung des Euro.

(Ag.)

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