Wort der Woche: Internet

Das Internet vernetzte Computer und löste damit eine Revolution aus. Nun vernetzt es immer mehr auch Menschen miteinander – was eine noch größere Umwälzung darstellt.

Es ist ein Mythos, den das Kernforschungszentrum CERN sorgsam pflegt – und als Beleg für die segensreichen Spin-offs der Großforschungseinrichtung anpreist: dass am CERN das Internet erfunden wurde. Das ist falsch. Es stimmt zwar, das der CERN-Forscher Tim Berners-Lee 1989 eine neuartige Verknüpfung elektronischer Dokumente durch „Hyperlinks“ entwickelt hat. Aber sowohl die Architektur des Netzes als auch die Art der Datenübertragung sind viel älter. Die eigentliche Geburtsstunde des Internets war die Gründung des „ARPANET“ zur Vernetzung von Universitäten und Forschungseinrichtungen 1969, mit starker Finanzierung durch die öffentliche Hand (und Beteiligung von Militärs). Zum Massenphänomen stieg das Internet erst Anfang der 1990er-Jahre auf, als die ersten grafikfähigen Webbrowser verfügbar wurden. Berners-Lees Ideen trafen da auf fruchtbaren Boden. Nebenbei bemerkt: Das Internet ist ein gutes Beispiel dafür, wie gezielte Forschungsförderung langfristig Früchte trägt.

Wie aus den Berichten von den heurigen Alpbacher Technologiegesprächen auf dieser und auf den vorhergehenden Seiten deutlich wird, ist das Internet eine entscheidende Ingredienz für die Zukunft der Welt. Und zwar nicht nur deshalb, weil die Vernetzung von Datenquellen ungeahnte Möglichkeiten schafft, sondern auch, weil darüber hinaus die Menschen sich immer stärker vernetzen können. William Dutton (Universität Oxford) sprach zum Abschluss der Technologiegespräche sogar davon, dass das Internet nun eine „fünfte Gewalt“ ermögliche. Den Begriff hat er in Analogie zur Presse gewählt, die seit dem frühen 18. Jahrhundert als „vierte Gewalt“ im Staat angesehen wurde.

Dutton schließt das aus dem stürmischen Wachstum der sozialen Netzwerke im Web – seiner Meinung nach „die dramatischste Veränderung in der Nutzung des Internets“ überhaupt. Die Menschen könnten nun ihren eigenen Standpunkt einbringen und bekommen dadurch Macht. Diese untergrabe die anderen Autoritäten nicht, betont er. Aber die fünfte Gewalt könne die anderen zur Rechenschaft ziehen. Er berichtete von einer indischen Homepage, auf der Menschen eintragen, wenn sie Bestechungsgelder zahlen müssen. Obwohl erst neun Prozent der Inder im Internet aktiv seien (bei uns sind es über 70 Prozent), sei rasch eine große Protestbewegung inklusive Demos entstanden.

Angst brauche man vor sozialen Netzwerken nicht zu haben, so Dutton. Und verteufelt werden dürften sie – bei allen Problemen, die sie aufwerfen – erst recht nicht. „Die neuesten Medien galten immer schon als Sündenböcke. Das war auch bei den Bücherverbrennungen so.“

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2011)

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