Berlin: Buch warnt vor islamischer Paralleljustiz

Berlin Buch warnt islamischer
Berlin Buch warnt islamischer(c) EPA (Katia Christodoulou)
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Streitschlichter würden die Arbeit der deutschen Justiz unmöglich machen, sagt ARD-Journalist Joachim Wagner in seinem Buch. Vor allem in Berlin seien die Friedensrichter sehr aktiv.

Die Idee klingt gut: Islamische Friedensrichter vermitteln zwischen Opfer- und Täterfamilien und schlichten auf diese Art auch in Deutschland Streit. Allerdings verunmöglichen sie dadurch die Arbeit der deutschen Behörden, warnt der ARD-Journalist Joachim Wagner in seinem Buch "Richter ohne Gesetz - Islamische Paralleljustiz gefährdet unseren Rechtsstaat." "Wir müssen aufpassen, dass das nicht auswuchert in die Gesellschaft", sagte er bei der Präsentation am Montag in Berlin.

"Diese Idee des Vermittelns gibt es seit 3000 Jahren und sie stand schon in vorislamischer Zeit im Codex Hammurabi", sagte der Journalist. ""Das Faszinierende ist, dass diese Tradition hier in Berlin-Neukölln höchst lebendig ist." Der Bürgermeister dieses Berliner Problembezirks, Heinz Buschkovsky (SPD), aufgrund seiner Sicht auf Migrationsfragen auch in der eigenen Partei nicht unumstritten, unterstützte den Autor bei der Buchpräsentation: "Ich glaube, dass das Buch Furore machen wird, das wird ein Aufreger-Buch", sagte er. "Denn es setzt sich mit einer Randerscheinung des Integrationsprozesses auseinander, die unsere Gesellschaft irritieren muss."

Friedensrichter in Berlin, Essen und Bremen

Nach Joachim Wagners Recherchen käme private Streitschlichtung bei allen Muslimen vor, konzentriere sich aber stark auf Berlin, Essen und Bremen: "Dort lebt der größte Teil der libanesischen Kurden. Sie erhalten ihre Clan- und Stammesstrukturen. Darunter sind 20 bis 30 schwer kriminelle Familien, und dort ist Streitschlichtung ganz üblich." Gedächtnisverlust, Relativierung, Aussageverweigerung - das seien dann die Verhaltensformen vor Gericht, wenn eine Schlichtung erfolgt ist.

Voraussetzung für den Einsatz der Friedensrichter sei, dass Täter und Opfer aus dem muslimischen Milieu kämen und es keine Zeugen gäbe. Dabei habe er drei neuralgische Punkte festgestellt, sagte Wagner: Es gebe das Bestreben bei Straftaten im Familienverband, jenen die Schuld übernehmen zu lassen, der die geringste Strafe zu erwarten habe, das wäre in der Regel der Jüngste. Weiters würden Anwälte "aus dem Nichts" Notwehrsituationen konstruieren, was das Verfahren über Monate hinziehe. Schließlich der "ganz neuralgische Punkt", so der Autor: "Die entscheidenden Weichenstellungen passieren im Krankenhaus: Dort beginnt der Wettlauf zwischen polizeilichen Ermittlungen und den Schlichtern."

Sobald die Friedensrichter eine Einigung zwischen den Familien ausgehandelt hätten, würden sich die Beteiligten dem Staat gegenüber auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Die ersten Aussagen vor der Polizei könnten daraufhin nicht mehr in das Verfahren einfließen. "Das wird von der Berliner Justiz kampflos hingenommen", sagte Wagner. Deshalb wolle sein Buch ein Appell sein, einen Schwerpunkt in der Rechtsprechung zu setzen, "um diese Paralleljustiz aufzubrechen"."Das muss einmal durchgekämpft werden bis zum Höchstgericht", forderte Wagner, der eine hohe Frustration bei Staatsanwälten und Kriminalpolizei festgestellt haben will. "Was die Staatsanwälte mitkriegen, ist nur die Spitze des Eisbergs, 90 Prozent der Fälle werden gar nicht erkannt".

"Großteil agiert im illegalen Milieu"

Vergeltung nach dem Koran hätte Komponenten von Selbstjustiz, sagte Wagner: Blutrache, Warnschüsse, Racheschüsse, Folterungen, Rollkommandos. Die Verfahren der Schlichter stünden in der Tradition der Scharia. Manche würden in der Öffentlichkeit arbeiten, mitunter sei es sogar gelungen, sie offiziell in die Prävention einzubinden. "Doch der größte Teil agiert im illegalen Milieu", so der ARD-Redakteur. Wobei die Schlichter oft von weither kämen: "So international die Familien vernetzt sind, so international sind die Friedensrichter."

Die Betroffenen sähen in den Straftaten Ehrverletzungen, die lediglich die Familie, nicht aber den Staat etwas angingen, meinte Neuköllns Bürgermeister Buschkovsky. In der islamischen Paralleljustiz sieht er "eine Missachtung der gesellschaftlichen Kräfte und des Staatsaufbaus". Die Berliner Justiz sei "den kommunizierenden Röhren zwischen Opfer und Täter hilflos ausgeliefert". Dass nach einer Schießerei alle Angeklagten den Gerichtssaal mit Freisprüchen verlassen, weil der Fall zuvor intern geregelt wurde, sei "für uns gewöhnungsbedürftig", sagte Buschkovsky. "Da spüren Richter und Staatsanwälte schon, dass sie vorgeführt werden", ergänzte der Politiker. "Es geht hier um Strafvereitelung und Aushebelung der Justiz."

Das Buch

Joachim Wagner: "Richter ohne Gesetz - Islamische Paralleljustiz gefährdet unseren Rechtsstaat", Econ Verlag, Berlin, 2011, 224 S. 18,50 Euro.

(APA)

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