Hoffnungsmarkt Lokaljournalismus

(c) AP
  • Drucken

Während überregionale Onlinemedien immer stärker extern beliefert werden, wird der kleinräumige Journalismus immer professioneller.

Es ist zwar eine gewagte These, aber sie sei erlaubt: Das Netz hat die Vielfalt der journalistischen Inhalte nicht nur explodieren lassen, sondern sie gleichzeitig vereinheitlicht und verödet. Ja, es gibt tausende Blogs, Netzzeitungen, Social-Media-Plattformen und News-Channels, die die „alten“ Zeitungen alt ausschauen lassen.

Aber: Bisher steht auf vielen diesen Medien ziemlich ähnliche und thematisch nahe Informationen. Warum? Weil die Quellen all dieser Medien – individuelle wie Twitter und Blogs einmal ausgenommen – längst nicht im gleichen Ausmaß gewachsen sind wie die Plattformen, auf denen die Informationen aufbereitet werden. Soll heißen: Vermutlich war eine Austria Presse Agentur oder eine DPA noch nie so einflussreich – auch Minimedien, die sie schändlicherweise nicht abonniert haben, bedienen sich gern ihrer Inhalte, die auf den klassischen Online-Ausgaben von Zeitungen und TV-Sendern verbreitet und übernommen werden.

Immer die gleichen Details im Netz

Das führt zu einer unglaublichen Eintönigkeit, der Wirbelsturm über – beziehungsweise: neben – New York wurde etwa zu einer Geschichte mit fast einheitlichen Geschichten mit den immer gleichen Details, die online in jedem Kuhdorf gelesen wurde, unabhängig davon, auf welchem Portal der Artikel letzten Endes landete.

Dabei gibt es gerade in den Kuhdörfern auch Geschichten: Lokalzeitungen können zwar nicht auf die überregionalen, internationalen Nachrichten verzichten, liefern aber zusätzlich eigene Inhalte. Genau das ist ein Alleinstellungsmerkmal, eine Unique Selling Proposition, wie sie im Betriebswirtschaftslehre-für-Anfänger-Buch steht.

Inhalte, die sonst keiner hat und die eine klare Zielgruppe haben: die Bewohner und Exbewohner des Kuhdorfs. Das ist zugegebenermaßen noch keine, die groß genug ist, um einen Betrieb zu finanzieren. Aber da etwa Wien bekanntermaßen ohnehin auch ein überdimensioniertes Kuhdorf ist, geht sich da lokaler Content spielend aus.

Dieser kann aus den klassischen Ressorts Innenpolitik, Wirtschaft, Kultur und Chronik sein, muss aber eine deutliche lokale Note haben. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen gute Englischkenntnisse haben und im Netz finden, was sie brauchen, werden irgendwann ein paar Anbieter wie CNN, die „NYT“ und Google die Weltinformationen verbreiten, aber nicht in jeder Stadt wird sich eine international angehauchte Tageszeitung halten können.

Kurz: Es verdichten sich weltweit die Hinweise, dass Lokaljournalismus – also die Nachrichten von einer Baustelle in der Hintertupfinger Hauptstraße, vom Brand auf dem Hof des Huberbauern oder der Lesung eines prominenten Autors in der Mistelbacher Buchhandlung – zu einem der großen Trends im modernen Journalismus avancieren könnte. Das hat mehrere Ursachen: Es können klassische Printprodukte dank moderner Drucktechnologien auch mit kleinen Auflagen von weniger als 5000 Stück preiseffizient gedruckt werden – was es möglich macht, auch Kleinstädte und einzelne Regionen mit eigenen Zeitungen zu versorgen–, und der Vertrieb ist günstiger.

Darüber hinaus sorgt die Flut verfügbaren Personals – es gibt mehr Menschen, die Journalisten werden wollen, als verfügbare „klassische“ Redaktionsplätze – dafür, dass auch der lange als Spielplatz von „Hobbyjournalisten“ verachtete Lokaljournalismus einen Professionalisierungsschub erfährt.

Professionalisierungsschub im Lokalen

Und zwar sowohl vonseiten großer Medienkonzerne als auch durch Journalisten, die sich eine neue Marktlücke suchen. Für Erstere gibt es in Österreich ein Beispiel: Die Regional-Medien-Austria-Gruppe (RMA) – eine Kooperation von Styria und Moser Holding – startet dieser Tage eine Qualitätsoffensive in ihren „Bezirksblättern“ und „-journalen“.

Der andere Trend – professionelle einzelne Journalisten, die sich eine lokale Nische suchen – kommt aus den USA: Dort gehen blogartige Nachrichtenportale wie „West Seattle“ oder das „Baristanet“ in New Jersey als Ein-Mann-Unternehmen in das Rennen um Nachrichten und recherchieren, warum am vergangenen Wochenende die Feuerwehrsirene geheult oder was es mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der Hauptstraße auf sich hat – und dank der Inserate lokaler Handwerker und Händler schreiben solche Blogs bereits Gewinne. Und das, ohne Agenturmeldungen abschreiben zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Subtext

Eine Zeitung ist eine Zeitung ist eine Zeitung

Wie jede andere Branche ist auch das Publizistenhandwerk Trends und Moden unterworfen. Sie halten aber nur nie sehr lange.
Medien

Suche nach dem Erfolg im digitalen Zeitalter

Printmedien haben die Krise 2009 überstanden – und suchen jetzt nach neuen Geldquellen via iPad oder Internet.
Leitartikel

Warum wir reden müssen

Die Beziehung zwischen Verlagen und Abonnenten ist in einer schwierigen Phase.
Wandel journalistischen Praxis
Medien

Vom Wandel der journalistischen Praxis

Viel wird spekuliert über die Zukunft der Medien. Aber wohin entwickelt sich journalistisches Arbeiten? Ein Blick nach vorn – und in den Rückspiegel.
Bühne

El-Gawhary: Reporter in der Ära der Konvergenz

Journalisten müssen ihr Publikum auf unterschiedlichsten Kanälen erreichen und dabei auf den verschiedensten Ebenen kommunizieren: Karim El-Gawhary ist ein Paradebeispiel dieser neuen Reporter-Generation.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.