Kanzler erhöht Druck bei Vermögenssteuer

Sommergespräche 2011
Sommergespräche 2011(c) ORF (Milenko Badzic)
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ORF-Sommergespräch. Bundeskanzler Werner Faymann will in Fragen der „Verteilungsgerechtigkeit“ nicht nachgeben.

Wien/Aich/Geme/Red. Die Stoßrichtung hat der Kanzler schon in den vergangenen Tagen vorgegeben. Im ORF-Sommergespräch ging Werner Faymann mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer erneut auf Konfrontation mit dem Koalitionspartner: Das Motto „Genug gestritten“ gelte für ihn bei der Grundsatzfrage nach mehr Verteilungsgerechtigkeit im Steuersystem nicht, so der Kanzler. In einer Zeit, in der die „Finanzmärkte das Ruder übernommen haben“, müsse die SPÖ jene Partei sein, die Fragen der sozialen Gerechtigkeit vorantreibe.

Er „vergönne“ jenen 80.000 Österreichern, die über mehr als einer Million Euro Privatvermögen verfügen, ihren Reichtum zwar durchaus. Dennoch wolle er sich punkto Vermögenssteuern zumindest dem europäischen Durchschnitt annähern. Sonst sei nicht zuletzt das „soziale Netz“ gefährdet.

Blockade bei Studiengebühren

Wie die Vermögenssteuer aussehen soll? Faymann will Privatvermögen – darunter falle auch Grund und Boden – von mehr als einer Million Euro mit 0,3 bis 0,7 Prozent besteuern. Das bringe 500 Millionen bis zwei Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen. Weitere Forderung des Kanzlers: Auch bei der Gruppenbesteuerung solle „mehr bezahlt“ werden. Die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer (Freigrenze: eine Million Euro) sei vorstellbar. Die SPÖ wolle das Thema aber nicht aktiv vorantreiben.

Warum er gleichzeitig dennoch auf Studiengebühren von Jugendlichen reicher Eltern verzichten wolle? „Wenn das Steuersystem insgesamt stimmt“, so Faymann, dann könne man sich in einigen Bereichen freien Zugang sowie einkommens- und vermögensunabhängige Förderungen leisten. Etwa bei Familienbeihilfe, Pflege und – nicht zuletzt – bei den Studiengebühren.

In Bezug auf die Zukunft des Euro sowie die Griechenland-Hilfe wollte der Kanzler „nichts schönreden.“ Die via Video eingespielte Frage eines ORF-Sehers, „wie viel Geld man denn noch nach Griechenland schicken müsse“, wollte Faymann zwar nicht beantworten. Aber: Jeder Euro, für den Österreich haften müsse, sei „unangenehm“, sagte Faymann. Und dennoch: Österreich müsse „ein Interesse haben“, dass es auch den anderen Ländern im Euro-Raum „gut geht“ – nicht zuletzt aus moralischen Gründen.

Der Staatsanwalt ermittelt

Der Vorwurf der FPÖ, Faymann und sein jetziger Staatssekretär Josef Ostermayer hätten während ihrer Zeit im Infrastrukturministerium Druck auf die ÖBB bei der Inseratenvergabe ausgeübt, ließ Faymann ungerührt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Staatsanwalt in dieser Causa nun wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Untreue gegen ihn und Ostermayer ermittle: „Die Staatsanwaltschaft wird es sich anschauen“, so Faymann lapidar. Eine Koalition mit der FPÖ schloss er aus.

Druck machte er einmal mehr in der Debatte um das Ende der allgemeinen Wehrpflicht. Der Kanzler sprach sich erneut für die Einführung eines Berufsheeres aus. Auch viele andere europäische Staaten hätten in Zeiten des „Profitums“ umgedacht.

Spindelegger kontra Häupl

Zu einer direkten Attacke auf die ÖVP ließ sich Faymann – im Versuch, sich bewusst staatsmännisch zu geben – zwar nicht hinreißen. Die Hoffnung auf eine Einigung mit der ÖVP habe er aber aufgegeben, ließ er durchblicken: Die von ihm bevorzugte Volksabstimmung über die Wehrpflicht, für die es zuvor jedoch ein gemeinsames Gesetz geben müsste, „werde sich wohl nicht ausgehen“. Alternative: Eine Volksbefragung, die er sich spätestens im Jahr 2013 wünscht.

Weitere koalitionsinterne Streitigkeiten sind damit programmiert. Schon nach dem vormittäglichen Ministerrat hatte ÖVP-Obmann Michael Spindelegger strenge Worte für Wiens Bürgermeister Michael Häupl parat: „Ich lasse mir von niemandem drohen.“ Häupls Aussagen seien „schärfstens zurückzuweisen“. Häupl hatte der ÖVP tags zuvor ausgerichtet, bei einer Blockade gegen die Vermögenssteuer „eben das Volk entscheiden zu lassen“. Sowohl eine Volksbefragung als auch ein Volksbegehren kämen als Druckmittel in Frage.

Aber auch innerhalb der SPÖ ist der Häupl-Vorstoß nicht unumstritten. „Eine Volksbefragung zum Thema Vermögenssteuer halte ich für eine sehr wenig durchdachte Idee“ und „gefährlich“, sagt Oberösterreichs SPÖ-Landesparteivorsitzender Josef Ackerl zur „Presse“. Das überrascht. War es doch seine Landesorganisation, die im Herbst des Vorjahres die „Millionärssteuer“ forderte – und mehr als 55.000 im Parlament an Parteifreundin Barbara Prammer übergeben hat. Bis dato vergebens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31. August 2011)

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