Widerstand gegen neue Immunitätsregeln für Abgeordnete

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Auch mit ihrem Plan, die berufliche Immunität der Mandatare auszudehnen, stößt die Bundesregierung auf Kritik aus den Ländern. Im Mittelpunkt steht die berufliche Immunität, welche erweitert werden soll.

Wien. Was dürfen Nationalratsabgeordnete innerhalb und außerhalb des Hohen Hauses sagen und tun? Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sowie FPÖ und Grüne wollen jetzt die Immunität der Mandatare neu regeln. Aus den Ländern regt sich aber bereits Widerstand gegen die geplante Novelle: Mehrere Landtagsklubs und Landtagspräsidenten glauben, dass sie ihr eigentliches Ziel verfehlt. Statt die Immunität, ein Privileg von Abgeordneten gegenüber dem Normalbürger, zu beschneiden, werde sie in Summe noch ausgeweitet, so der Tenor in einzelnen Stellungnahmen zum Entwurf, den Landtage und andere politische Akteure noch bis 6. September beim Parlament kommentieren dürfen. Mehrere Stellungnahmen sind bereits eingelangt und liegen der „Presse“ vor.

Verleumdungen am Stammtisch?

Im Mittelpunkt der Kritik aus den Ländern steht nun die berufliche Immunität, die nach Wunsch von vier Parlamentsparteien – nicht aber des BZÖ – erweitert werden soll: Aktuell sieht diese vor, dass ein Abgeordneter „in seinem Beruf“ vor zivil- oder strafrechtlicher Verfolgung geschützt ist. Das betrifft zurzeit nur Äußerungen eines Parlamentariers, die er im Plenum oder in seinen Ausschüssen macht. Geht es nach Rot-Schwarz, aber auch FPÖ und Grünen, soll die berufliche Immunität aber auch auf Aussagen ausgedehnt werden, mit denen der Abgeordnete – wahrheitsgemäß – über Verhandlungen im Plenum oder in den Ausschüssen berichtet. Das könnte aber zum Beispiel auch das Wiederholen von Vorwürfen oder Verleumdungen gegenüber anderen Politikern bei Pressekonferenzen oder am Stammtisch einschließen, ohne dass dies Konsequenzen hätte, warnen jetzt Kritiker in den Ländern. Auch gegen die geplante Ausdehnung der beruflichen Immunität auf parlamentarische Mitarbeiter („Parlamentsgeheimnis“) regt sich Widerstand: Wenn man den Personenkreis derart erweitere, sei dies nicht nachvollziehbar.

„Das ist ein vollkommen falsches Signal, das hier gesetzt wird“, sagt zur Novelle der Präsident des niederösterreichischen Landtags, Hans Penz (ÖVP), zur „Presse“. „Abgeordnete sollen nicht in den Geruch kommen, dass sie sich hinter der Immunität verschanzen. Es hat ja sonst auch kein Bürger die Möglichkeit, zur Gänze immun zu sein.“ In seiner gemeinsamen Stellungnahme mit dem zweiten und dritten Landtagspräsidenten sowie den Klubchefs von ÖVP und SPÖ verweist Penz auch darauf, dass es bisher laut Oberstem Gerichtshof untersagt ist, dass ein Abgeordneter „wo und wann immer er will, seine Äußerungen unter Immunitätsschutz wiederholen dürfe“. Diese OGH-Entscheidung würde durch die Novelle unterlaufen.

Auch aus Tirol kommt Kritik: In seiner Stellungnahme an den Verfassungsausschuss warnt Landtagspräsident und Ex-Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP) vor der Möglichkeit, dass „unbewiesene Behauptungen z.B. bei einer Pressekonferenz aufgestellt werden, nachdem sie zuvor in der Plenarsitzung geäußert wurden“. Bisher habe man auf Vorwürfe, die außerhalb des Hohen Hauses gefallen sind, mit einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage reagieren können.

Auch im Salzburger Landtag sieht man die Novelle kritisch. Mehrere Länder drängen insbesondere die Regierungsparteien, diese nochmals zu prüfen und bei der beruflichen Immunität nachzuschärfen. Überwiegend Unterstützung kommt von Landes-Grünen; die Grünen im Bund haben unter anderem massiv auf das „Parlamentsgeheimnis“ für parlamentarische Mitarbeiter gedrängt. Für die Präsidialkonferenz des Bundesrates schrieb Bundesratspräsidentin Susanne Neuwirth (SPÖ) „Presse“-Informationen zufolge über die Novelle: „Ich glaube, dass damit die parlamentarische Immunität den Erfordernissen der heutigen Zeit gut angepasst wird.“

Aus für die außerberufliche Immunität

Weitgehend einig sind sich alle Lager beim Plan, die sogenannte außerberufliche Immunität abzuschaffen: Dies wird als Privilegien-Abbau begrüßt. Aktuell sieht die außerberufliche Immunität vor, dass Behörden einen Mandatar nur verfolgen dürfen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang mit seiner politischen Arbeit besteht oder wenn das Parlament der Verfolgung zustimmt. Damit soll nun Schluss sein – und im Gegenzug eben die berufliche Immunität ausgedehnt werden, was umstritten ist.

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats wird nun sämtliche Stellungnahmen prüfen. In wenigen Wochen soll die Novelle dann bereits im Plenum behandelt werden. Erforderlich für die neuen Immunitätsregeln ist eine Zweidrittelmehrheit, weil dafür eine Verfassungsänderung notwendig ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2011)

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