Streitfall Palästina: Kein Friede zwischen Türkei und Israel

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Symbolbild(c) AP (Petros Karadjias)
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UN-Bericht über die Erstürmung eines türkischen Frachters durch israelische Soldaten wurde der "New York Times" zugespielt. In der Türkei ist man erbost. Ankara weist israelischen Botschafter in der Türkei aus.

Ankara/Jerusalem. Eigentlich haben die Vereinten Nationen im Konflikt zwischen der Türkei und Israel die Wogen glätten wollen. Doch herausgekommen ist das Gegenteil: Nachdem der UN-Bericht zu den Vorfällen rund um die Erstürmung des türkischen Frachters „Mavi Marmara“ durch israelische Truppen der „New York Times“ zugespielt wurde, stufte Ankara die diplomatischen Beziehungen zu Israel herab. Außenminister Ahmet Davutoğlu wies am Freitag den israelischen Botschafter in der Türkei an, das Land im Lauf der nächsten Woche zu verlassen. Ankara hat seinen Botschafter schon vor Monaten aus Tel Aviv abgezogen. Die türkische Botschaft in Israel wird künftig nur noch mit einem Zweiten Sekretär besetzt sein.

Der Bericht der von dem ehemaligen neuseeländischen Ministerpräsidenten Sir Geoffrey Palmer geleiteten Untersuchungskommission über die Vorfälle hätte, nachdem er auf israelisches Drängen monatelang unter Verschluss gehalten worden war, in den nächsten Tagen durch die UNO offiziell veröffentlicht werden sollen. Kritisiert wird darin unter anderem, dass israelische Soldaten bei der Erstürmung des Schiffes am 31. Mai 2010 Aktivisten in den Rücken geschossen haben. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die von der „Mavi Marmara“ angeführte Flottille, die Israels maritime Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollte, weit vor dem Ziel und ohne letzte Warnung angegriffen wurde.

Andererseits hält der Report die Blockade an sich für rechtmäßig, um Waffenlieferungen zu unterbinden. Außerdem unterscheidet er zwischen friedlichen Teilnehmern, insbesondere auf den fünf kleineren Schiffen und den auf der „Mavi Marmara“ konzentrierten Aktivisten der türkischen Organisation IHH, die mit Eisenstangen gegen die Soldaten vorgegangen sind.

Kompromiss nicht in Sicht

Der Bericht lässt sich als Kompromiss zwischen der israelischen und der türkischen Sicht der Dinge lesen. Im Interesse der „Stabilität im Nahen Osten“ sollte der Konflikt ad acta gelegt werden. Bisher ist jedoch keine der beiden Seiten zu diesem Kompromiss bereit. Weder ist Israel willens, sich bei den Opfern zu entschuldigen und Entschädigung zu zahlen, wie in dem Bericht angeregt wird, noch ist die Türkei bereit, die schwierige Situation Israels in Gaza zu berücksichtigen.

Davutoğlu forderte nicht nur erneut eine Entschuldigung und Entschädigung, sondern beharrte auch darauf, dass die Türkei die Gaza-Blockade nicht anerkennen würde. Der Außenminister erinnerte daran, dass die Türkei die längste Küste im östlichen Mittelmeer habe, und versprach, dass alle Maßnahmen ergriffen würden, die Ankara für die Freiheit der Schifffahrt für nötig halte. Damit ist die Möglichkeit angedeutet, dass die Türkei Schiffe, die nach Gaza fahren, militärisch begleiten könnte. Man sollte diese Äußerung jedoch nicht als Ankündigung einer militärischen Konfrontation auf See zwischen Israel und der Türkei betrachten. Israel könnte sich allerdings künftig genötigt sehen, Blockadebrecher erst in den eigenen Hoheitsgewässern abzufangen.

In Jerusalem wurde der UN-Bericht jedenfalls überwiegend mit Erleichterung aufgenommen, weil er festhält, dass die Marinesoldaten aus Notwehr agierten und weil die Kommission die Seeblockade als legal bezeichnete – mit ein Grund, warum für Davutoğlu der Bericht als „inakzeptabel“ gilt. Die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu ha wenige Monate nach der desaströsen Militäraktion zugestimmt, zumindest die Landblockade des Gazastreifens deutlich zu lockern. Für den Import nach Gaza verboten bleibt seither vor allem Baumaterial. Der Export ist bis auf wenige Ausnahmen noch immer nicht möglich.

Die Aussichten für die türkisch-israelischen Beziehungen sind nach wie vor düster, momentan scheint es kein Interesse an einer Entspannung zu geben. Niemals werde sich Israel für den Zwischenfall entschuldigen, kündigte erst vor zwei Wochen Vize-Außenminister Dani Ayalon an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2011)

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