Architektur: Die Häuser als Spiegelbilder

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Im Interview erzählen BEHF Architekten, worin sie die moderne Rolle und die Verantwortung der Architekten sehen. Und wo die Stadt Wien ihrer Meinung nach am hässlichsten ist.

In der Wiener Kaiserstraße wird's eng. Wer neuerdings 1800 Filialen der Deutschen Bank auf der ganzen Welt mit Corporate Architecture überzieht, braucht selbst viel Platz. Zum Glück bekommt das Architekturbüro BEHF ein Stockwerk dazu. Dort brüten die Partner Armin Ebner, Stephan Ferenczy und Susi Hasenauer mit insgesamt 80 Mitarbeitern über ihren Projekten. Und erzählen zwischendurch der „Presse am Sonntag“, warum das Chipperfield-Kaufhaus ein Fehler ist. Und sie „Opas“ nicht mögen, die dauernd „Revolution!“ rufen.

Muss der Architekt von heute Universalist sein, ein interdisziplinär denkender Alleskönner?

Stephan Ferenczy: Es war ja schon immer der Anspruch an den Architekten mehr zu sein als bloßer Gestalter.

Susi Hasenauer: Es geht ja nicht darum, eine Erwartungshaltung pragmatisch abzuhandeln. Man muss schon einen Schritt weiter gehen, einen übergeordneten Gedanken berücksichtigen. Das hat nichts mit Selbstverwirklichung zu tun. Sondern damit, dass der Auftraggeber einen Mehrwert bekommt, über die reine Bauleistung hinaus.

Ferenczy: Man traut uns ja vieles zu, auch Makler zu sein. Oder Grafiker. Wir könnten uns in verschiedenste Lebens- und Kulturfragen einmischen. Nur muss man aufpassen, keine Rolle zu übernehmen, die man nicht erfüllen kann.

Doch viele Architekten sehen sich nur in der Rolle des Erfüllungsgehilfen...

Armin Ebner: Der Architekt bekommt die Rolle, die er sich selbst zumutet.

Ferenczy: Man könnte auch sagen: die Rolle, die er verdient.

Viele Architekten fühlen sich trotzdem viel zu selten gefragt und unterbewertet...

Ebner: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Und man kann auch die Architekten nicht über einen Kamm scheren. Das wäre Nonsens. Es gibt ganz unterschiedliche Disziplinen. Der eine ist international, der andere experimentell, und andere wiederum haben pragmatische Zugänge.

Zum Thema Nachhaltigkeit. Da meine ich auch die ästhetische. Das beste Gebäude wäre doch eines, das man in den nächsten 500 Jahren nicht abreißen muss. Weil es technisch und energetisch so gefinkelt ist und weil es alle lieben.

Ebner: Die Architektur besteht eben nicht nur darin, Gebäude zu errichten. Sondern auch manchmal, sie nicht zu errichten. Und da meine ich speziell die ländlichen Bereiche. Dort entsteht sehr viel Nichtqualität, die unglaublichsten Siedlungsformen und Gebäude. Gar nicht zu reden von den Schallschutzwänden etwa.

Und wer hat Schuld an solchen Dingen?

Ebner: Die Architekten verantworten das nicht. Der Gestaltungswille muss von anderen kommen. Unsere Lieblingspartner sind nicht umsonst private Auftraggeber, die eigeninitiativ und unabhängig von politischen Einflüssen agieren können. Wenn wer heute Verantwortung übernimmt, dann ist es die Privatwirtschaft. Darin sehen wir das große Potenzial.

Sie wollen Ihren Bauherren schmeicheln...

Ebner: Jeder bekommt den Bauherren, den er verdient. Wer jemanden sucht, der ihn fordert und ergänzt, wird auch der Architekt selbst ein besseres Ergebnis abliefern.

Apropos Verantwortung. Im Umgang mit dem baulichen Erbe in der Stadt vermisst man sie ja manchmal.

Ferenczy: Wir als Architekturbüro haben den Anspruch architektonische Qualitäten zu schaffen. Obwohl wir selbst manchmal in der Kritik stehen, alles zu machen, was der Bauherr will. Doch wir treten an, mit dem Gewissen und der Moral eines Architekten. Ja, wir sind moralisch und fühlen uns auch irgendwie als Ritter der Qualität.

Wo vermissen Sie jene Qualität, die Sie da ansprechen?

Ebner: An manchen Stellen des ersten Bezirks in Wien stellen sich erst die Weichen für die zukünftige Entwicklung. Aber an anderen ist das schon geschehen. Am Hof etwa, was dort durch den Umbau des Verbund-Hauses und den neuen Dachausbau passiert ist(Haus der Generali-Versicherung, Anm.), das sind Entwicklungen, die aus meiner Sicht massiv ins Gefüge und die Proportionen eingreifen.

Und Chipperfield in der Kärntner Straße?

Ebner: Das ist überproportional, die Gewichtung ist falsch. Und die Folge wird sein, dass sich die anderen daran orientieren werden. Mit der Konsequenz, dass sich über die Jahre der Maßstab der Kärntner Straße völlig verändern wird. Es ist eine Bedrohung für alles, was rundherum steht im Ensemble.

Ferenczy: Armin, ist das ein Chipperfield-Fehler?

Ebner: Der Auftraggeber hat die Verantwortung, und natürlich die Behörden und Politiker, die das zulassen.

Ferenczy: Es stimmt. An dieser Stelle ist es in die Hose gegangen. Vonseiten der Behörde wurde hier verabsäumt, stadträumliche Qualitäten zu sichern. Schlimm ist die Radikalität, mit der hier zugeschlagen wurde. Und noch schlimmer ist, dass dadurch wieder zum Thema wird, ob moderne Architektur richtig ist oder nicht.

Hasenauer: Genau das ist der große Fehler.

Ferenczy: Schließlich geht es überhaupt nicht um die Verneinung moderner, internationaler Architektur.

Haben Sie noch mehr Beispiele, die mehr verschandeln als verschönern.

Hasenauer: Ja, die Diskussion beschränkt sich oft nur auf die hochkarätigen Projekte. Die scheußlichsten Ecken werden meist still und leise vor sich hin gebaut. Wie etwa diese Self-Storage-Lagerhalle am Gaudendorfer Gürtel in Wien zum Beispiel.

Ferenczy: Das zeugt ja alles von einer bestimmten Kultur einer Gesellschaft. Mit irgendwelchen Zinkgaupen kommst du bei der MA 19 durch. Mit einer kessen Architektur nicht. In diesem Land kommst du weiter, wenn du mit der 08/15-Suppe schwimmst. Also, es sind sicher nicht die Architekten, die die Stadt verschandeln.

Muss man solche Einschnitte als „Veränderung“ akzeptieren?

Ferenczy: Ich finde, die Gesellschaft hat ein Recht in Häusern zu leben, die ihre Struktur, ihre Gegenwart widerspiegeln. Man muss sich dazu bekennen. In Deutschland hat man das nach dem Zweiten Weltkrieg getan und gesagt: „So, jetzt bauen wir die Stadt mal so, wie es die moderne Gesellschaft widerspiegelt.“ Dass das dann zu Kälte und Ungemütlichkeit führt oder wie in Ostberlin zu Plattenbauten, ist ärgerlich, aber von der Geisteshaltung richtig.

Was ist mit „Architektur-Revolutionen“, die manche in Österreich vermissen?

Ferenczy: Diese Aufrufe zur Revolution gehen mir auf die Nerven. Wenn uns ein paar Opas zurufen, welche Revolution wir machen sollen. Das ist so österreichisch. Man muss auch ein Stück Realität im Schädel haben, das gehört mit zur Verantwortung. Wir forschen, wir studieren Materialien, wir verpflichten uns dazu, das ist der Teil der Arbeit. Aber wir quatschen dazu nicht laufend in Interviews.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2011)

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