Film in Venedig: "Hitler sells!"

Film Venedig Hitler sells
Film Venedig Hitler sells(c) AP
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Im Kurzfilm "Conference" verdichtet der Österreicher Norbert Pfaffenbichler die Repräsentation von Hitler in der (Spiel-)Filmgeschichte zur Horrorgroteske. Ein Gespräch über die Geschichte der Hitler-Darstellung(en).

Ihr Kurzfilm „Conference“ hat am Mittwoch in Venedig Weltpremiere. Es ist eine Art Verdichtung der Repräsentation von Adolf Hitler im Spielfilm: 65 Schauspieler, die seit den 1940ern Hitler verkörperten, in manipulierten Großaufnahmen gegeneinander montiert. Wie ist das Projekt entstanden?

Norbert Pfaffenbichler: Hitler selbst hat mich gar nicht besonders interessiert, eigentlich bin ich über Charlie Chaplin dazu gekommen. Ich habe einige Filme und Installationen mit Chaplin-Material gemacht, da war natürlich auch „Der große Diktator“ dabei. Als ich mir dann andere Filme mit Hitler-Darstellungen angeschaut und verglichen habe, dachte ich, ich sollte diese Hitler-Interpretationen auch filmisch festhalten: Hitler ist nach Jesus die meistdargestellte Figur der Filmgeschichte. In Indien ist gerade ein Bollywood-Film über die Beziehung zwischen Hitler und Eva Braun gedreht worden!

Der deutsche Filmemacher Romuald Karmakar, der selbst einmal Hitler gespielt hat und so auch in Ihrem Film vorkommt, hat ja vom „Kasperletheater“ der Hitler-Interpretationen gesprochen. Das wird in „Conference“ recht deutlich.

Tatsächlich sind viele dieser Hitler-Darstellungen ganz furchtbar, oft muss das auch gar nicht die Schuld des Schauspielers sein. Ich finde die Hitler-Interpretationen besser, die nicht versuchen zu imitieren: Bruno Ganz im „Untergang“ oder Anthony Hopkins in „Der Bunker“ versuchen Hitlers Gestik, sein Kopfschütteln, sein Schreien nachzumachen – aber je mehr man sich anstrengt, authentisch zu sein, desto lächerlicher wird es meiner Meinung nach. Hingegen spielt Alec Guinness in „Hitler – Die letzten 10 Tage“ einfach als Guinness: Der tut nicht herum, sondern setzt auf sein elegantes englisches Lächeln usw. Er hat einfach das Bärtchen unter der Nase, und das ist es: Mehr braucht es auch nicht. Diese Interpretationen gefallen mir besser, aber für meinen Film ist der persönliche Geschmack nicht wichtig: Da sind oft die schlechtesten Interpretationen am besten, weil sie so lustig sind. Das Herumkasperln ist ja Teil der Hitler-Filmdarstellung, und ich verwende Komödien genauso wie ernste Filme: Man soll in meiner Montage gar nicht mehr erkennen, was ursprünglich Parodie war und was nicht. Nur bei den Auftritten von Komikern wie Louis de Funès ist es wohl unvermeidlich. „Conference“ ist auch so konstruiert, dass ich am Anfang eher ernste Darstellungen zeige und dann wird es immer grotesker – bis zum Ausstieg, bei dem Hitler selbst im Kino sitzt. Den Bogen hab ich schon gespannt: vom Ernst zum Grotesken. Da geht es jetzt nicht um die ursprünglichen Filme: Viele, die ernst gemeint waren, scheinen mir genauso wie Parodien, und die lustigen waren teilweise auch ernst gemeint.

Wenn ich „Conference“ kategorisieren müsste: Horrorgroteske trifft es ganz gut.

Das finde ich auch: Also wenn's so gesehen wird, freut's mich.

Obwohl Hitler so oft gespielt wurde, ist das Thema Hitler-Darstellung kaum erforscht.

Ich habe zwei deutsche Publikationen gefunden, aber da geht es mehr um die filmische Aufarbeitung: also Fragen zum historischen Kino an sich oder zur Vergangenheitsbewältigung. Die Deutschen haben sich natürlich damit beschäftigt. Bei der Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ im Historischen Museum Berlin war ich 2010 mit dem Filmkritiker Olaf Möller eingeladen, eine Lecture zu halten. Da hat sich wieder bewahrheitet: Hitler sells. Du musst nur Hitler draufschreiben, und die Leute stürmen das – der Leiter meinte, es hätte noch nie in der Geschichte des Museums so einen Publikumsandrang gegeben. Bei der Lecture war das Thema „Hitler und der deutsche Film“. Da gab es interessante Vermeidungsstrategien: Hitler kommt zwar vor, aber du siehst nie sein Gesicht, sondern nur die Beine oder den Hinterkopf – ein Quasi-Bilderverbot. In Fassbinders „Lili Marleen“ geht einfach die Tür auf, dann kommt der Lichtstrahl, das Orchester geht los... wie bei einer Heiligenfigur. Jörg Buttgereit hatte Hitler als Roboter und Syberberg eine Hitler-Marionette. Der erste „echte“ Hitler-Film in Deutschland war 1955 G. W. Pabsts „Der letzte Akt“: Damals war es ein Skandal, Hitler so darzustellen, als Menschen, noch dazu verkörpert von Albin Skoda, einem renommierten Theaterschauspieler. Meiner Meinung nach eine gute Darstellung und ein guter Film – und sicher auch die Vorlage für „Der Untergang“.

„Der Untergang“ wurde 50 Jahre später für denselben Zugang hoch gelobt...

Dabei ist der Pabst-Film ungleich besser. Er ist vielleicht überhaupt der beste unter den vielen Bunker-Filmen – außer Christoph Schlingensiefs „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ mit einem großartigen Udo Kier.

Hitler wird eigentlich immer als Extrem dargestellt: das ultimativ Böse oder die ultimative Witzfigur.

Im englischen und amerikanischen Film hatte man natürlich schon immer ein anderes Verhältnis zu Hitler als im deutschen: Wie zuletzt in „Inglourious Basterds“ ist er da eine Spott- und Comic-Figur, da gibt es Zeichentrick-Hitlers mit Donald Duck oder in den „Looney Tunes“ oder in „South Park“.

Der Vorteil von Hitler als Comedy-Figur ist wohl der hohe Wiedererkennungswert.

Wie im deutschen Fernsehen, da hab ich zufällig Sachen aus diesen Spätnacht-Comedy-Sendungen aufgenommen: Da kommt Hitler oft als sexistischer Depp mit ganz tiefen Schmähs vor, die überhaupt nichts mit dem historischen Hitler zu tun haben. Da ist er nur eine Autoritätsfigur, die halt lächerlich gemacht wird. Die Abnutzung ist schon so groß, da gibt es überhaupt keine Aufregung mehr. Ich habe zwar nicht extra zur Hitler-Rezeption nachgeforscht, aber bei der Beschäftigung mit den Filmen war schon abzulesen, wie sich das Bild von den 1950ern bis zur Gegenwart gewandelt hat. Es gab immer wieder Schübe mit mehreren Filmen, dann ist es wieder eine Zeitlang eingeschlafen. Man merkt auch lokal und global ganz große Unterschiede. Hitler kommt ja sogar in Pornofilmen vor oder in mexikanischen Trash-Produktionen mit Führer-Klonen: Doch da taucht er auf, und das hat keine weitere Bedeutung im Verhältnis zur Geschichte. Das hat sich mittlerweile völlig abgekoppelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2011)

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