Korruption ist ein Problem Die Justiz ist das größere

In Wirtschaftsfragen sind die Ermittler echte Schwachmatiker. Doch die Politik ist nicht geneigt, ordentlich Geld für Wirtschaftskundige in die Hand zu nehmen.

Kurze Zusammenfassung für „Quereinsteiger“ – also Leser, die in den vergangenen Wochen eventuell auf Urlaub waren und gerade in die schöne Heimat zurückgekehrt sind: In Österreich gibt es gerade einen ziemlich unappetitlichen Telekom-Skandal, aber wir haben eh alles im Griff. Bundeskanzler Werner Faymann hat schon betont, dass er „allergrößtes Vertrauen in die Justiz“ habe; ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch hat beruhigenderweise versichert, dass seine Partei „für eine vollständige und lückenlose Aufklärung“ der Vorfälle ist. Und zu guter Letzt (im wahrsten Sinne des Wortes) hat sich gestern auch unser Bundespräsident eingeschaltet: „Die Verquickung von Politik und Geschäften aus persönlichem Gewinnstreben muss auf das Schärfste verurteilt werden“, sprach Heinz Fischer.

Wem all das noch ein wenig zu diffus ist, sei an dieser Stelle beruhigt: Am Donnerstag wurde die neue Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption feierlich eröffnet. Die soll eine „Speerspitze“ im unerbittlichen Kampf gegen grassierende Wirtschaftsdelikte sein. Und weil auch solche Veranstaltungen offenbar nicht ohne Worthülsen auskommen können, meinte ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl, sie sei „sehr erschüttert über die Vorgänge der letzten Jahre“.

Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber erschüttern sollte sie, mit Verlaub, eigentlich ein anderes Faktum: Unsere Justiz ist in Wirtschaftsfragen heillos überfordert. Und das lädt geradezu zu Korruption ein.

Seit Jahren wird in den Causen Immofinanz, Buwog, Hypo Alpe Adria und so weiter ermittelt. Der Fall des pleitegegangenen Internethauses Yline hat sich mittlerweile zum zehnten Mal gejährt. Ohne Ergebnis. Klar: Die mutmaßlichen Wirtschaftsdelikte sind komplex – aber Ermittler mit ein wenig Wirtschaftssachverstand müssten da doch schön langsam einigermaßen Durchblick bekommen haben.

Immerhin gab es heuer den Libro-Prozess – zehn Jahre nach der Pleite der Buchhandelskette. Aber auch dort offenbarte der zuständige Staatsanwalt ein nachgerade schockierendes Unverständnis für Unternehmertum: In seinem Plädoyer hielt er dem Ex-Libro-Chef (dem eigentlich Untreue und Betrug vorgeworfen wurde) sinngemäß vor, dass er sich nicht mit dem simplen Buchhandel zufriedengab – sondern auch noch expandieren wollte.

Ein erschütternder Fall von Themenverfehlung. Andererseits: Woher hätte der Herr Staatsanwalt sein Verständnis für die Libro-Hintergründe hernehmen sollen? Die Durchforstung des Wirrwarrs war Jahre zuvor schon an Gutachter delegiert worden. Was übrigens schon zum guten Ton gehört: kein Fall mutmaßlicher Wirtschaftskriminalität, in dem nicht Gutachter beauftragt werden. Das ist freilich für überforderte Staatsanwälte sehr bequem, weil sie sich jede Menge Zores ersparen: Die Anklageschrift liest sich dann meist wie ein „Executive Summary“ des Gutachtens.

Aber das kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch jede Menge Geld, oft sogar unvorhergesehen viel: Die inkriminierten Personen wissen klarerweise, dass ihr Schicksal vom jeweiligen Gutachter abhängt, und bekämpfen ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dann wird's langwierig: Es kommt zu Befangenheitsanträgen, oft zur Abberufung des Gutachters – für seine geleistete Arbeit muss er aber natürlich trotzdem bezahlt werden.

Das Geld könnte viel besser investiert werden. Wie wäre es damit, wirklich gute, wirtschaftskundige Ermittler mit wirklich guten Gagen zu ködern? Die neu eröffnete Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zeigt jedenfalls, wie es nicht laufen sollte: 40 Planstellen gibt es, nur 15 konnten besetzt werden. Was eh schon viel ist angesichts eines Nettogehalts von monatlich 2000 Euro. Welcher ausgebildete Wirtschaftsjurist soll sich das antun? Eben.

So sieht also die „Speerspitze“ gegen Korruption aus: ein Buttermesser. Und die Politik wird weiterhin „Vertrauen in die Justiz“ haben, wird sich für „lückenlose Aufklärung“ aussprechen und dann und wann „erschüttert“ sein.

Sie hat es nicht anders gewollt.

E-Mails an: hanna.kordik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2011)

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