Schüssel-Rücktritt: Er kam, sprach - und ging

PK WOLFGANG SCHUESSEL
PK WOLFGANG SCHUESSEL(c) APA/ROBERT JAEGER (Robert Jaeger)
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Exkanzler Wolfgang Schüssel ist sich keiner Schuld in der Telekom- oder Buwog-Affäre bewusst. Es könne sein, dass sein Vertrauen missbraucht wurde. Dennoch tritt er jetzt von seinem Nationalratsmandat zurück.

Wien. Er kam, sprach und ging. Im Büro seiner früheren Pressesprecherin Heidi Glück, die heute eine PR-Agentur betreibt, gab Wolfgang Schüssel seine letzte Pressekonferenz als Politiker. Er komme gerade von ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf und habe ihm mitgeteilt, dass er sein Nationalratsmandat zurücklege, so Wolfgang Schüssel. Formal ist er nun nur noch Mitglied des ÖVP-Vorstands Wien-Hietzing. Aber auch diese Funktion wird er laut dem dortigen Bezirksobmann zurücklegen. Das Kapitel „Wolfgang Schüssel“ in den Annalen der österreichischen Innenpolitik ist somit seit gestern geschlossen.

Bei seinem Auftritt in der PR-Agentur zog Schüssel noch einmal alle Register seines rhetorischen Könnens. Anfangs noch mit eher verhaltener Stimme wies er ein schuldhaftes Verhalten seinerseits– in den Affären Telekom, Buwog etc. – von sich. Er könne aber nicht ausschließen, dass sein Vertrauen missbraucht worden sei. Er trete zurück, um objektive Ermittlungen, frei von jeder Einflussnahme, zu erleichtern. Er sei „absolut reinen Gewissens“. Und es sei „sachlich ungerecht“, die ÖVP als Ganzes mit diesen Affären in Zusammenhang zu bringen.

Beim anschließenden Frage-Antwort-Spiel mit den Journalisten blieb der Exkanzler grundsätzlich freundlich gestimmt, man sah ihm aber an, dass ihn manche Reporterfragen – vor allem, wenn eine schon zuvor gestellte Frage leicht abgewandelt noch einmal gestellt wurde – nervten. („Ich habe das doch gerade erklärt.“)

Seit Wochen hatte Schüssel in bewährter Manier zu den Vorwürfen geschwiegen, die ehemalige Mitstreiter betrafen. Gestern nahm er Stellung. „Es schaut für die Betroffenen nicht gut aus“, befand er durchaus kritisch. Allerdings könne man das nicht ihm anlasten; viele Vorwürfe würden Handlungen betreffen, die erst nach seiner Regierungszeit gesetzt wurden.

Ja, er habe mit Karl-Heinz Grasser Kontakt gehabt und ihm auch seine Meinung gesagt, so Schüssel. Das ändere nichts daran, dass Grasser ein ausgezeichneter Finanzminister war. Die Buwog-Vergabe sei „sauber“ gewesen, der Bestbieter habe den Zuschlag erhalten. „Herrn Hochegger“ kenne er nicht. Alfons Mensdorff-Pouilly habe er nur als Mann Maria Rauch-Kallats gekannt und dieser auch stets zu verstehen gegeben, dass er nicht wünsche, dass ihr Gemahl Geschäfte im Umfeld der Regierung mache. „Und jeder weiß, wie ich zu Jagden stehe.“ Ernst Strasser wiederum sei ein engagierter Innenminister mit „Ecken und Kanten“ gewesen, noch dazu von den Medien gerne als „liberales“ Gegenstück zu ihm präsentiert. Was er danach gemacht habe, sei aber nicht in Ordnung gewesen. Zur Telekom-Affäre meinte Schüssel, er habe weder Telekom-Aktien besessen, noch hätte ihn das damals sonderlich interessiert; er habe anderes zu tun gehabt.

„Bilanz kann sich sehen lassen“

Nicht nehmen ließ es sich der Altkanzler, die Taten seiner Regierung zu loben: Zuvor sei Österreich bei der Verschuldung an 14.Stelle – noch hinter Griechenland – gelegen, unter seiner Führung sei es zu einem „Musterland“ geworden. Die ÖIAG habe sechs Milliarden Euro Schulden gehabt, diese konnten auf null reduziert werden. Österreich sei moderner geworden. Niemand sei perfekt, aber seine Bilanz könne sich sehen lassen.

Am Ende betonte er noch einmal, dass es nicht auszuschließen sei, dass sein Vertrauen missbraucht wurde. „Ent-täuschungen“ hätten aber auch etwas für sich, weil man sich dann keinen Täuschungen mehr hingebe.

Abschließend warnte Schüssel noch davor, dass durch „übertriebene Darstellungen“ des Themas Korruption „die positive Seite der Politik ins Rutschen gerät“ und die parlamentarische Demokratie an sich Schaden nehme.

Im Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE will Wolfgang Schüssel übrigens bleiben. Was er sonst machen werde, wollte er nicht präzisieren. „Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen, ich schaffe es schon.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2011)

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