Der Tag, an dem der Türke zum Moslem wurde

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Religion. Der islamistische Terror änderte das Bild des Islams nachhaltig. Europas Rechtspopulisten nutzten dies.

WIEN. Natürlich war es nicht nur dieser eine Tag, nicht dieses eine Attentat des 11. September. Schon vorher gab es unzählige Terrorakte militanter Islamisten, wurden politische Warnungen vor einer aggressiven Expansion des Islam laut und gab es Kritik an dem ein oder anderen Moscheebau. Aber der Terror dieses einen Tages änderte das Empfinden und die gesamte Atmosphäre im Zusammenleben zwischen Moslems und Christen, oder für das säkularisierte Europa treffender: Nichtchristen.

Natürlich war es die vorhersehbare Reaktion der US-Regierung, die nach den Anschlägen ihrerseits zum Kreuzzug gegen die Islamisten aufrief und ihn im Irak und in Afghanistan gegen die Taliban begann. Dass da am Beginn des neuen Jahrtausends plötzlich wieder ein Hauch Glaubenskrieg zu spüren war, konnte keiner leugnen, der Tony Blair vor dem Christbaum über den Krieg im Irak sprechen sah. Dass dies aber nicht geopolitische, sondern gesellschaftspolitische Folgen haben sollte, ahnte damals wohl noch keiner. Am deutlichsten sind die Verschiebungen anhand neuer Bilder und Begriffe zu bemerken: Deutlich machen dies etwa die Rechtspopulisten, die nicht ganz zufällig – aber keineswegs durch diese Entwicklung alleine – in den vergangenen zehn Jahren in vielen europäischen Ländern zulegen konnten. Hieß das Feindbild in den 1990er-Jahren noch „Ausländer“ oder „Türke“, wurde es plötzlich der Islam. Österreichs Heinz-Christian Strache schaffte es, diese neue Sichtweise mit einem Slogan auf den Punkt zu bringen: „Daham statt Islam“. Der Bau jeder neuen Moschee löste in der unmittelbaren Gegend in der Bevölkerung Verunsicherung aus. Plötzlich ist jedes Kopftuch und jede Burka für die einen eine potenzielle kulturelle Bedrohung, für die anderen ein Zeichen, den eigenen Liberalismus durch das Zulassen unter Beweis zu stellen. Dass nicht zuletzt nicht muslimische Frauen der wachsenden Religion in der unmittelbaren oder entfernten Nachbarschaft skeptisch gegenüberstehen, kommt hinzu.

In der „Financial Times Deutschland“ schrieb der iranisch-deutsche Autor Bahman Nirumand über die Folgen des „Krieges gegen den Terror“: „Es begann eine Zeit, die auch die notwendige Entwicklung eines modernen Islam verhindert hat. Stattdessen wurden Frontlinien gezogen – verbale und militärische. Das spielte den Fundamentalisten in die Hände und warf all jene Muslime zurück, die eine aufgeklärtere Version ihres Glaubens suchten.“

Mag sein, aber diese liberalen Kräfte im Islam, welcher die Trennung zwischen Politik und Religion leider häufig vermissen lässt, schafften es nicht, sich mit ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Nur zum Vergleich: Die nicht muslimische Kritik an der US-Politik – und auf einer ganz anderen Ebene auch an den Rechtspopulisten – ist in Europa hingegen ohrenbetäubend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2011)

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