Migration: Gemeindebau: Ein Drittel Neo-Österreicher

Migration. Erstmals wird zugegeben: Jeder dritte Gemeindebau-Bewohner stammt aus dem Ausland.

Wien. "600 Drittstaatsangehörige (Nicht-EU-Ausland, Anm.) haben bisher einen Antrag auf eine Gemeindewohnung gestellt", berichtet eine Sprecherin von Wohnbaustadstrat Werner Faymann (SP). Eingezogen sei von diesen Antragsstellern bisher niemand, heißt es weiter. Und: "Leider ist bei jedem Antrag mit einer Wartezeit von bis zu zwei Jahren zu rechnen."

Der Hintergrund: Ausländische Staatsbürger, die seit fünf Jahren in Österreich leben, Einkommen und Krankenversicherung haben, haben seit 2006 denselben Anspruch auf eine Gemeindewohnungen wie jeder Österreicher. Mit dieser Liberalisierung musste die Stadt auf eine EU-Richtlinie reagieren.

Die "sanfte Öffnung" des Wiener Gemeindebaus mit seinen ca. 220.000 Wohnungen hat längst vorher stattgefunden. Anders als vor wenigen Monaten wird nun im Faymann-Büro erklärt: "Ungefähr ein Drittel der Bewohner von Gemeindebauten hat Migrations-Hintergrund." Es gebe zwar keine Statistiken, "es ist aber davon auszugehen, dass sich der Migranten-Anteil in der gleichen Größenordnung bewegt wie in Wien insgesamt."

Nach Ansicht der Grünen wird die Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer von der Stadt verschwiegen, um mögliche Interessenten nicht erst auf die Idee zu bringen. Grünen-Chefin Maria Vassilakou zeigte sich am Dienstag verwundert, dass es trotz 5500 Anfragen von Ausländern bisher nur einige hundert Anträge gegeben habe. "Und das, obwohl wir Zuwanderer am schlechtesten wohnen."

Die Integrationssprecherin der Wiener Grünen, Alev Korun, hat die Hotline der Stadt getestet und sich über eine Gemeindewohnung erkundigt. Ihr sei gesagt worden, dass die Wartezeit fünf Jahre betrage. "Man kann auch Leute durch die Blume davon abhalten", meinte sie.

In Wien leben derzeit ca. 440.000 Menschen mit Migrations-Hintergrund - etwa 28 bis 30 Prozent der Gesamtbevölkerung. Karin Sohler und Harald Waldrauch, Politikwissenschaftler am Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien, haben diese Zahl für eine 700-Seiten-Studie ermittelt.

Sie haben untersucht, in wie vielen Vereinen sich Migranten organisieren. 728 Vereine wurden analysiert. Bezogen auf die Gesamtzahl der Zuwanderer (pro Region) sind die 16.450 Afrikaner am stärksten organisiert, Mazedonier am wenigsten. Die meisten Organisationen sind Sammelbecken für Angehörige von Minoritäten aus europäischen Ländern. Die häufigsten Zielsetzungen der Vereine: die Kultur der jeweiligen Herkunftsländer aufrecht zu erhalten und bei der Integration in Österreich behilflich zu sein. Türkische Organisationen widmen sich überdurchschnittlich oft der Religionsausübung. Der Schätzung von Waldrauch und Sohler stehen die Zahlen der Statistik Austria gegenüber. In der Bevölkerungsstatistik 2005 scheinen 293.356 ausländische Staatsbürger auf - 18 Prozent gegenüber den 1.333.084 österreichischen Staatsbürgern.

Ob Österreicher oder Ausländer: Wer neu in eine Gemeindewohnung zieht, bekommt eine Wohnung der Kategorie A. Heuer werden laut Faymann 4600 Wohnungen "aufkategorisiert", also mit Bad, WC und Zentralheizung ausgestattet. 135 Mill. Euro lässt sich "Wiener Wohnen" diese Aufrüstung kosten. Höhere Mieten hätten die Bewohner, so Faymann, dadurch nicht zu befürchten.

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