Sparpaket statt Schbarbaguette

Gastkommentar. Ein Stiftungsrat im ORF hat mannigfache Aufgaben – zum Beispiel auch, eine hohe Sprach- und Sprechkultur einzufordern.

Das Vergnügen, dem Stiftungsrat des ORF anzugehören, wird hin und wieder auch dadurch gesteigert, dass man seinen Namen in der Zeitung findet. Wenn man allerdings in der „Presse“ die Meinung des Chefredakteurs zu lesen bekommt, man habe „keinen Funken Selbstachtung“, weil man diesem Gremium noch immer angehöre und es nicht aus Protest gegen die abgesicherte Wahl des Generaldirektors verlassen habe, hat das Vergnügen seine Grenzen erreicht.

Es mag sein, dass die Parteien tatsächlich auf ihre Vertreter in den ORF-Gremien Einfluss nehmen, ja vielleicht sogar Druck ausüben. Der Autor dieser Zeilen aber kann das für sich nicht bestätigen. Die Mitglieder seiner sogenannten bürgerlichen Gruppe im Stiftungsrat hatten, wie das Ergebnis gezeigt hat, sehr wohl die Wahl. Wir waren sehr bewegt, haben nicht geschwiegen, sondern heftig diskutiert. Dass es keinen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten gegeben hat, steht auf einem anderen Blatt.

Die Wahl der Direktoren und des Generaldirektors ist nur eine der vielfältigen Aufgaben des Stiftungsrates. Der überwiegende Teil der Sitzungen des Publikumsrats und des Stiftungsrates dient ganz anderen Fragen. Da sind Beschwerden und Anfragen vonseiten des Publikums, die kritische Beobachtung von Sendungsinhalten, Anregung neuer Formate im Hörfunk und im Fernsehen, notwendige Reaktionen auf Aktuelles.

Wie man Reichweite einbüßt

Ich konzentriere mich in meiner Arbeit in den beiden Gremien auf den Kreis von Hörern und Sehern, der mich gewählt hat: die älteren Menschen. Ich habe vom ersten Tag an getrachtet, wieder eine regelmäßige TV-Sendung für dieses Publikum ins Programm zu bringen, in moderner, informativer, auch unterhaltsamer Form. Wie es aussieht, sind wir auf gutem Wege.

Daneben hat ein zweites Thema für mich große Bedeutung: der Mangel an Sprach- und Sprechkultur im ORF. Dass das „Hohe Haus“ selbst sprach- und sprechtechnisch auch nicht immer ganz auf jener Höhe ist, die es dem sogenannten Wählervolk an sich schuldet, macht die Sache nicht einfacher. Jede Übertragung aus dem Parlament bringt das eine oder andere männliche oder weibliche Beispiel, wie man etwas werden kann, ohne deshalb reden können zu müssen. Zum Glück gibt es vorbildliche Ausnahmen.

Aber auch auf diesem Gebiet ist die Tätigkeit von Publikumsrat und Stiftungsrat nicht ohne Folge – an einer Milderung der Misere wird gearbeitet. So wird man also eines Tages wieder Vizekanzler hören und nicht Fitzekanzler, Sparpaket und nicht Schbarbaguette, Plenum und nicht Blehnum. Und das Gebiet des Wortwitzes kann man dann wieder Kabarettisten und Feuilletonisten überlassen.

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks Ulrich Wilhelm sagt der „Zeit“ in einem Interview am 1.September: „Ein öffentlich-rechtlicher Sender, der immer weniger relevante Inhalte anbietet und den Privatsendern zum Verwechseln ähnlich wird, büßt Reichweite ein. Wer nur auf Quote setzt, verliert am Ende beides: Qualität und Quote.“ Die ORF-Quote ist im August weiter gesunken.

Professor Gerhard Tötschinger arbeitet neben seiner Tätigkeit am Theater und als Buchautor seit Jahrzehnten auch an TV-Produktionen in Österreich, Deutschland, Italien. Er ist Mitglied im ORF-Publikumsrat und im Stiftungsrat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2011)

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