Jarosch: "Sauerei", wenn Politiker abkassieren

Gerhard Jarosch, Präsident der Staatsanwälte-Vereinigung, fordert im "Presse am Sonntag"-Interview eine deutliche Verschärfung der Antikorruptionsgesetze.

Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner (BZÖ) hat von der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH Geld kassiert, wie sieht das ein Staatsanwalt und Korruptionsbekämpfer?

Gerhard Jarosch: Im Fall Scheibner wissen wir mehr als wir derzeit sagen können, allgemein gilt: Dass Abgeordnete von Unternehmen Geld bekommen, wenn diese Abgeordnete Entscheidungen fällen, die wiederum diese Unternehmen betreffen, ist eine Sauerei.

Folglich müssen die betreffenden Gesetze verschärft werden?

Eindeutig. Die Antikorruptionsbestimmungen müssen verschärft werden, die wurden ja 2009 entschärft. Das Anfüttern von Amtsträgern muss wieder strafbar sein, weil wir ja oft genug keinen Zusammenhang zwischen einer Zuwendung und einem konkreten Amtsgeschäft herstellen können. Dann weiß jeder, dass das stinkt, wir Staatsanwälte schauen durch die Finger, und die Bürger ärgern sich, weil wir nichts tun können.

Sehen Sie konkret gesetzlichen Änderungsbedarf, weil etwa Mitglieder der Bundesregierung Vorteile für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften annehmen dürfen?

Natürlich. Wer in der Regierung sitzt, darf überhaupt keine Geschenke annehmen. Man kann über eine Bagatellgrenze diskutieren, zum Beispiel über eine Einladung zu den Salzburger Festspielen. Die haben ja gejammert, dass sie untergehen, wenn diese Korruptionspraktiken aufhören. Meiner Meinung nach sind Karten für die Salzburger Festspiele schon zu viel an Geschenken. Und wenn solche Veranstaltungen bei entsprechenden Antikorruptionsregeln nicht mehr existieren können, muss ich mich fragen, ob es in Ordnung ist, dass es solche Veranstaltungen nur deshalb gibt, weil es korrupte Praktiken gibt.

Thema Parteienfinanzierung: Der Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Walter Geyer, hat in einem „Presse“-Interview gefordert, dass die finanzielle Unterstützung von Parteien ab einer Grenze von 5000 Euro öffentlich gemacht werden soll. Pflichten Sie bei?

Ja. Alle Zuwendungen müssen veröffentlicht werden. Über die Grenze kann man diskutieren. Damit es keine Umgehungsmöglichkeit gibt, muss man sich genau anschauen, wenn Zuwendungen an ausgelagerte Unternehmen, zum Beispiel PR-Unternehmen, im Dunstkreis der Politik gehen.

Zum Weisungsrecht...

....wenn wir an der Spitze einen Politiker sitzen haben, ist es für uns bei ganz argen Fällen natürlich nicht leicht, gegen Politiker zu ermitteln. Nicht weil das Weisungsrecht missbraucht wird, sondern weil eben dieser Anschein besteht.

Wer könnte an der Spitze der Weisungskette stehen?

Ein Generalstaatsanwalt oder etwa ein Gremium aus leitenden Oberstaatsanwälten. Die Bestellung soll durch eine möglichst breite Mehrheit im Parlament erfolgen. Und es darf keine Möglichkeit der Wiederbestellung bestehen. Diese Personen dürfen sich nicht anbiedern müssen. Niemand, der in der Justiz Karriere machen will, soll sich nach oben, bei einer politischen Partei, anbiedern müssen. Bei uns entscheiden Politiker, wer in der Justiz Karriere macht. Hier gibt es im europäischen Vergleich einen unabhängigen Rat der Gerichtsbarkeit, der entscheidet.

Apropos Personal. Es gibt zu wenig Antikorruptionsstaatsanwälte in Österreich. Die WKStA ist für 40 Ankläger ausgelegt, aber dort arbeiten derzeit nur 15. 40 soll es erst 2013 geben.

Wir haben die Planstellen, aber das Gesetz ist eine Husch-Pfusch-Aktion gewesen. Man kann nicht 40 Staatsanwälte in einem Jahr aus dem Boden stampfen. Aber die Abgeordneten im Parlament haben sich von uns nicht informieren lassen wollen. Und haben das einfach beschlossen. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen.

Das heißt, so lange es zu wenig Korruptionsbekämpfer gibt, haben es Wirtschaftskriminelle leicht?

Wir versuchen uns auf die wichtigen Fälle zu konzentrieren. Über andere müssen wir halt ein bisschen „drüberfahren“. Es geht nicht anders. Es wird noch dauern, bis wir die Leute haben, sowohl bei der WKStA (dort ist etwa die Buwog-Affäre anhängig, Anm.) als auch bei der Staatsanwaltschaft Wien (dort ist beispielsweise der Telekom-Skandal oder etwa der Eurofighter-Komplex anhängig). Dazu brauchen wir dringend andere Mitarbeiter wie Finanz- und EDV-Experten, aber auch Assistenten. Sie können sich gar nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen – Stichwort veraltete Software – wir zum Teil arbeiten müssen.

Sind 40 Staatsanwälte bei der WKStA bis 2013 realistisch?

Das geht sich nicht aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2011)

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