Der in Deutschland weilende türkische Präsident Abdullah Gül sieht das Image seines Landes angesichts der kriselnden EU gestärkt.
Der Wirtschaftsboom und der politische Aufstieg der Türkei in Nahost verbessern nach den Worten von Präsident Abdullah Gül das Ansehen seines Landes in der Europäischen Union. Die EU sei derzeit schwach und verhalte sich wie ein Fahrradfahrer, der nicht mehr in die Pedale trete und deshalb sturzgefährdet sei, sagte Gül nach Zeitungsberichten auf dem Flug zum Staatsbesuch in Deutschland, der am Montag begann. In dieser Lage würden die Stärken der Türkei besser wahrgenommen.
Viele Europäer hätten sich die Türkei bisher als rückständiges Land vorgestellt, wo Pferdewagen statt Autos auf den Straßen führen, sagte Gül den Berichten zufolge gegenüber türkischen Journalisten. Nun ändere sich dieses Image. Wirtschaftlich seien Deutschland und die Türkei "die zwei gesunden Staaten Europas". Inmitten der Krise in der EU lege die Türkei wirtschaftlich zu, politisch sei die Türkei heute in der internationalen Arena so einflussreich wie die ganze EU zusammen. Die Europäer fragten inzwischen verwundert, ob die Türkei wirklich immer noch EU-Mitglied werden wolle. "Das stärkt das Image der Türkei in Europa", sagte Gül.
Dreitägiger Besuch in Deutschland
Montag früh wurde Gül mit militärischen Ehren zu seinem dreitägigen Besuch in Deutschland empfangen. Zum Auftakt haben Deutschland und die Türkei ein neues Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein türkischer Kollege Mehmet Simsek unterzeichneten die Vereinbarung am Montag in Berlin im Beisein von Gül und Deutschlands Bundespräsident Christian Wulff.
Am Nachmittag hält der türkische Präsident eine Rede in der Berliner Humboldt-Universität. Wichtigste Themen des Besuchs sind die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union und die Integration der in Deutschland lebenden Türken. Vor dem Besuch hatte Gül das deutsche Einwanderungsrecht kritisiert.
Spannungen zwischen Türkei und Israel
Bei den Gesprächen mit deutschen Spitzenpolitikern dürften auch die Spannungen zwischen der Türkei und Israel sowie die Umwälzungen in der arabischen Welt zur Sprache kommen. Am Dienstag besuchen Gül und Wulff Osnabrück, die Heimatstadt des Bundespräsidenten. Am Mittwoch reist der türkische Präsident nach Baden-Württemberg.
(APA)