Chef von TV-Sender al-Jazeera tritt zurück

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Will der Emir von Qatar den TV-Sender stärker an die Kandare nehmen? USA und Golf-Monarchen waren immer wieder erbost über die Berichterstattung. Nachfolger wird Scheich Ahmad bin Jasem bin Muhammad al-Thani.

Kairo. Für die Mitarbeiter des arabischen Fernsehsenders al-Jazeera war die Twitter-Nachricht wie ein Paukenschlag. „Acht Jahre an der Spitze sind eine lange Zeit“, textete Senderchef Wadah Khanfar und plädierte für „Wandel und Erneuerung“. Über die Gründe für seinen plötzlichen Abgang allerdings schwieg er sich aus, die dazu kursierenden Gerüchte nannte er „sehr unterhaltsam“.

Doch bereits die Nachfolgeregelung spricht für sich. Offenbar will der Emir von Qatar den von ihm finanzierten Sender künftig härter an die Kandare nehmen. Dazu beförderte er nun erstmals ein Mitglied der Herrscherfamilie auf den Chefsessel, Scheich Ahmad bin Jasem bin Muhammad al-Thani, bislang Manager bei Qatargas.

Vorgänger Khanfar dagegen war gelernter Journalist. Unter der Regie des gebürtigen Palästinensers wurde der 1996 gegründete arabische Nachrichtenkanal erweitert – um das englischsprachige „al-Jazeera International“, aber auch um Sport- und Dokumentarprogramme. Zuletzt war Khnafar jedoch intern in die Kritik geraten, nachdem WikiLeaks geheime Konzessionen des Senders an die USA bei der Irak-Berichterstattung enthüllt hatte. Nach Darstellung der diplomatischen Protokolle versuchten die USA 2005 mehrfach, Einfluss auf den populären Sender in Doha zu nehmen – und zwar mit Rückendeckung der Regierung Qatars. Aber auch unter den Potentaten des Golf-Kooperationsrates wachsen die Aversionen gegenüber al-Jazeera.

Arabischer Frühlingsbote

Die Emire und Monarchen auf der arabischen Halbinsel wissen, dass es in ihren Bevölkerungen gärt und nach dem Sturz des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi sowie dem möglichen Fall von Syriens Präsidenten Assad der Aufruhr auch vor ihrer Haustüre nicht haltmachen wird. Schon jetzt hält sich al-Jazeera bei der Berichterstattung über die Unterdrückung der Proteste in Bahrain, einem direkten Nachbarn von Qatar, auffallend zurück. Das hat seinen Programmplanern den Vorwurf eingetragen, sie arbeiteten mit zweierlei Maß – eine Tendenz, die sich unter dem künftigen Chef deutlich verschärfen dürfte.

Bei den Revolutionen in Tunesien und Ägypten dagegen spielte al-Jazeera eine aktive Rolle, gab den Demonstranten sogar „ein gewisses Momentum“, wie Ex-Generaldirektor Khanfar damals stolz erklärte. Auch in Syrien und Jemen mischt sich der Sender zum Missfallen der bedrängten Potentaten offensiv ein. In Libyen wirkte er zeitweise sogar wie ein Instrument qatarischer Außenpolitik. Al-Jazeera-Reporter begleiteten die Rebellen bei ihrem Vormarsch, während Qatars Herrscher mit Geld, Waffen und Treibstoff den Rebellen halfen, an die Macht zu kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2011)

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