Hinter den Vorwürfen gegen den Kanzler vermutet die SPÖ eine "unverschämte Kampagne" der ÖVP. Die dementiert - und greift Faymann im Nationalrat scharf an. Die Nerven in der Regierung liegen blank.
Wien.Auf dem Flug von Wien zur UN-Vollversammlung nach New York am Dienstag waren die gröbsten Unstimmigkeiten zwischen Werner Faymann und Michael Spindelegger schon wieder ausgeräumt. Dass man einander am Samstag durchs Telefon angebrüllt und dem jeweils anderen mit Neuwahlen gedroht hätte, wie in manchen Medien kolportiert wurde, bestritten am Mittwoch zwar beide. Doch der Vizekanzler gab immerhin zu, dass es „große Meinungsverschiedenheiten" gegeben habe.
Denn die SPÖ vermutet hinter den Vorwürfen gegen Faymann - er soll in seiner Zeit als Infrastrukturminister Einfluss auf die Inseratenvergabe bei den ÖBB genommen haben - niemand Geringeren als den Koalitionspartner. Über eine „unverschämte Kampagne" soll sich der Kanzler bei seinem Vize mokiert haben. Doch Spindelegger dementierte: Die Informationen stammten aus anderen Kanälen.
Der Vizekanzler wiederum ereiferte sich am Sonntag über die SPÖ-Angriffe auf Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), die mit einem verunglückten Nazi-Vergleich die Banken in Schutz zu nehmen versuchte. Spindelegger hatte sich mehr Zurückhaltung von der SPÖ erwartet - in der ÖVP wurde sogar über einen Racheakt gemutmaßt.
Dass die Nerven in der Regierung blank liegen, zeigte sich am Mittwoch auch im Nationalrat: In der „Aktuellen Europastunde", die sich dann doch den Korruptionsverdachtsfällen der letzten Zeit widmete, meinte ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf: „Am schlimmsten ist es, dass dieser Skandal die oberste Spitze unserer Bundesregierung erreicht hat." Sobald der Kanzler aus den USA heimgekehrt sei, müsse er vor dem Hohen Haus eine „saubere Erklärung" abgeben.
Einen U-Ausschuss zur Causa Faymann wollte Kopf nicht mehr ausschließen: Er habe am Vortag bloß gemeint, dass es eigentlich nichts mehr zu untersuchen gebe, weil „ein Geständnis" bereits vorliege. Gemeint waren die Aussagen von Staatssekretär Josef Ostermayer, der Anfang der Woche zugegeben hatte, als damaliger Kabinettschef Faymanns mit den ÖBB über PR-Maßnahmen gesprochen zu haben - und zwar „völlig rechtens".
Die Staatsanwaltschaft ermittelt trotzdem gegen Faymann und Ostermayer, veranlasst durch eine Aussage des Ex-ÖBB-Chefs. Martin Huber hatte bei seiner Einvernahme von einem Gespräch mit Ostermayer und ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker berichtet. Dabei habe man ihm zu verstehen gegeben, dass sieben Millionen aus dem Werbeetat im Jahr 2008 „für den Werner" zu reservieren seien.
Günther Kräuter, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, stellte im Nationalrat Hubers Glaubwürdigkeit infrage: Mit seinem Naheverhältnis zu Wolfgang Schüssel sei er „kein glaubwürdiger Ankläger". Der ÖVP empfahl Kräuter die Lektüre des Lukas-Evangeliums: „Da geht es um die Pharisäer."
U-Ausschuss: Antrag abgelehnt
Regierung und Opposition zankten sich inzwischen über die Themen, die im geplanten U-Ausschuss behandelt werden sollen. FPÖ, Grüne und BZÖ stellten den Antrag, Telekom und Buwog, Behördenfunk, Staatsbürgerschaften, das gelockerte Glücksspielmonopol und die ÖBB-Inserate zu prüfen. Doch SPÖ und ÖVP lehnten ab: Es mache keinen Sinn, den Ausschuss zu überladen. Die SPÖ würde ihn am liebsten auf die Telekom beschränken. Nächste Woche wird verhandelt.
Gestern wurden auch zwei Mandatare ausgeliefert: Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner (BZÖ) soll Geld vom Eurofighter-Hersteller bezogen haben. Gegen Werner Königshofer, ehemals FPÖ, wird wegen Verhetzung ermittelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2011)