Korruption: Fallzahlen steigen stark

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Im Jahr 2010 waren im Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung 1601 Fälle aktenkundig. Das sind zwölf Prozent mehr als 2009. Nun wollen die Fahnder von ausländischen Behörden lernen.

Wien. Der Eindruck, der momentan durch das tägliche Bekanntwerden neuer Korruptionsvorwürfe gegen (Ex-)Politiker, Manager, Lobbyisten und Beamte entsteht, scheint nicht ganz falsch zu sein: Österreich hat ein Problem. Diesen Verdacht untermauert nun die Jahresstatistik jener Behörde, die die größten und prominentesten dieser Fälle bearbeitet: das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention, kurz BAK.

1601-mal schrillten im Vorjahr in der Dienststelle des Amtes in der Meidlinger Kaserne in Wien die Alarmglocken. Das entspricht im Vergleich zum Jahr 2009 einem Zuwachs von zwölf Prozent. Mittelfristig ist der Anstieg der Verdachtsfälle sogar noch deutlicher. Seit dem 2006er-Bericht der Vorläuferorganisation des BAK, dem Büro für interne Angelegenheiten (BIA), nahmen die Fallzahlen um 45Prozent zu.

Auffällig ist, dass sich die Verdachtsfälle sehr ungleichmäßig auf die neun Bundesländer verteilen. Mehr als die Hälfte, genau 53Prozent aller vermuteten Straftaten, fanden in Wien statt. Mit großem Abstand dahinter folgen Niederösterreich (12Prozent), Steiermark (10), Oberösterreich (8) Tirol (6), Kärnten (4), das Burgenland und Salzburg (je 3) sowie Vorarlberg (1).

Vorbild Slowenien

Weil die Arbeit der Korruptionsfahnder in Zukunft eher mehr als weniger werden wird, baut das Amt gerade zusätzliches Know-how in den Bereichen Ermittlung, Prävention und internationale Kooperation auf. Ziel des zweijährigen Projekts ist es, die ohnehin knappen Ressourcen (derzeit 100 Beamte) effektiver einzusetzen. Dabei klingt der Name des Projekts (European Anti-Corruption Training, EACT) sperriger, als es ist. In Kooperation mit 26 anderen Teilnehmerstaaten wollen die Ermittler ihr Wissen über die fortschrittlichsten Ermittlungs- und Präventionsmethoden teilen, damit am Ende allen Teilnehmerländern das bestmögliche Rüstzeug für die tägliche Arbeit zur Verfügung steht.

Fallbeispiel eins: Bei Korruptionsermittlungen im Umfeld von Telekom, Buwog oder dem Wiener AKH fallen schnell Akten im Umfang von mehreren tausend Seiten an. Für Fahnder ist es jedoch praktisch unmöglich, all diese Inhalte vollständig und gleichzeitig im Gedächtnis abrufbar zu haben. Hierfür gibt es u.a. unterschiedliche Methoden und Softwarelösungen, um die Informationen rasch und gesamtheitlich erfassen zu können.

Fallbeispiel zwei: Neben der Aufklärung von Straftaten ist eine der Hauptaufgaben von Anti-Korruptionsbehörden die Präventionsarbeit. Die Bewusstseinsbildung unter Beamten und Entscheidungsträgern soll dazu führen, viele Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Als internationales Vorbild hat sich diesbezüglich Slowenien in den vergangenen Jahren hervorgetan. Das Zwei-Millionen-Einwohner-Land leistet sich eine eigene Behörde, die nicht der Regierung, sondern ausschließlich dem Parlament verpflichtet ist. Entsprechend mutig tritt die slowenische Behörde, die Kommission zur Prävention von Korruption (www.kpk-rs.si), auch auf. „Ein internationales Vorbild, von dem viele andere, auch wir, nur lernen können“, sagt Karl Raschbach, im österreichischen BAK für Präventionsarbeit zuständig – auch was die Ressourcen betrifft.

Das vergleichsweise kleine Slowenien leistet sich zur Schulung und „Erziehung“ des eigenen Beamtenapparats immerhin 33 Mitarbeiter. Für die 450.000 öffentlichen Bediensteten hierzulande sind gerade einmal 16Personen im BAK abgestellt. Nur vier von ihnen halten auch Vorträge.

Mahnung an Politik

Dabei sieht BAK-Direktor Andreas Wieselthaler vor allem in der Präventionsarbeit eine Methode, manche Probleme in Zukunft gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Geschichte der Korruption sei nämlich „im Menschen verankert“. Nur Wissensvermittlung und Aufklärung könnten dem entgegenwirken. Dabei wandte er sich bei einem Gespräch mit Journalisten direkt und mahnend an die Politik: „Für Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, müssten eigentlich besondere Maßstäbe gelten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2011)

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Kommentare

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