Die Medienschlacht der Palästinenser in New York

Der Antrag der Palästinenser wurde von einer sehenswerten Medienaktivierung begleitet
Der Antrag der Palästinenser wurde von einer sehenswerten Medienaktivierung begleitet(c) REUTERS (Eric Thayer)
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PLO-Chef Abbas kann nach seinem leidenschaftlichen Antrag auf Vollmitgliedschaft Sympathiezuwächse an den Meinungsbörsen der Welt verbuchen.

NEW YORK. Die Schlacht um die Weltöffentlichkeit war minutiös geplant. Diesmal lief auch die palästinensische Spin-Maschine auf Hochtouren. Kaum hatte PLO-Chef Mahmoud Abbas zu seiner historischen Rede vor der UN-Generalversammlung angehoben, um seinen Antrag auf eine Vollmitgliedschaft der Palästinenser in der UNO zu begründen, brachten Helfer schon seinen Redetext unters Journalistenvolk. Und nur Minuten nach der Ansprache pflanzte sich einer seiner Unterhändler, Mohamed Shtayyeh, im Mediencontainer auf, um Fragen zu beantworten. Er war im Nu von einer drängelnden Reportertraube umringt, von Mikrofonen und Kameras. In den Tagen davor hatte die alte Garde der palästinensischen Verhandler Interviews im Minutentakt gegeben. Saeb Erekat, Nabil Shaat und Hanan Ashrawi
wanderten von einem Fernsehstudio, von einem Übertragungswagen zum anderen.

--> Pressestimmen: "Diplomatische Eskalation"

Sympathiezuwächse bei den Medien

Der Einsatz zahlte sich aus, offenbar auch die Lobbying-Verträge, welche die PLO schon vor Wochen mit Kommunikationsagenturen wie Bell Pottinger abgeschlossen hatte. Am Tag nach dem großen Showdown vor der UNO konnten die Palästinenser jedenfalls an der Meinungsbörse der internationalen Gazetten beträchtliche Sympathiezuwächse verbuchen.

Die mitreißende Rede des Präsidenten der Palästinenser und die Standing Ovations einzelner Delegationen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Abbas, der graue Funktionär der PLO, setzte auf Emotionen, auf Gerechtigkeitsappelle, auf die Pose des Underdogs. „Mein Volk sehnt sich nach einem normalen Leben wie der Rest der Menschheit“, rief er in das Auditorium und zitierte den großen palästinensischen Volksdichter Mahmoud Darwish. „Hier zu stehen, hier zu bleiben, ewig hier, und wir haben ein Ziel, eines, eines: zu sein.“  Es waren solche pathetischen Momente, in denen er seine Zuhörer in den Bann schlug.

Langes Procedere zu erwarten

Doch der rhetorische Rausch war schnell vorüber. Was wird bleiben von der diplomatischen Offensive der Palästinenser? Der Sicherheitsrat wird sich zwar schon am Montag mit dem palästinensischen Aufnahmeantrag befassen, doch dann wird sich das Procedere hinziehen, über Monate oder vielleicht sogar Jahre. Und am Ende droht immer noch das Veto der USA. Die Supermacht will einem palästinensischen Staat erst nach einem Friedensschluss mit Israel zustimmen.

Das war auch das Hauptargument in der Rede des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu vor der UNO. Ohne Friede dürfe es keinen palästinensischen Staat geben, denn ohne Friede bestehe keine Sicherheit für Israel.

Bemühungen für neuen Friedensprozess

Die internationale Gemeinschaft versuchte unmittelbar nach den Auftritten von Abbas und Netanjahu den komatösen Friedensprozess wiederzubeleben. Das Nahost-Quartett, bestehend aus EU, UNO, Russland und den USA, legte einen detaillierten Fahrplan vor. Demnach sollen sich Palästinenser und Israelis in den nächsten vier Wochen an den Verhandlungstisch setzen, sich innerhalb von sechs Wochen auf Grenzen und Sicherheit einigen und einem weiteren halben Jahr die restlichen offenen Fragen wie die Rückkehr von Flüchtlingen oder Ost-Jerusalem zu klären. Im Herbst 2012 soll der Friedensvertrag besiegelt sein. Dann begrüßen auch die USA gerne einen palästinensischen Staat als neues Mitglied.

Das ist ein schöner Einjahresplan, aber ähnliche Vorhaben sind schon mehrmals gescheitert, zuletzt im Vorjahr. Auch diesmal könnte sich die Geschichte wiederholen. Die Palästinenser wollen erst dann in Verhandlungen einsteigen, wenn Israel den Bau von Siedlungen in den besetzten Gebieten einfriert. Das stellte auch Abbas vor der UNO unmissverständlich klar. Für Netanjahu kommt ein solches Entgegenkommen jedoch nicht in Frage, seine Koalition zerbräche daran. Er bietet, so wie es auch das Nahost-Quartett in ihrer Erklärung verlangt, „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ an, „hier, jetzt, in der UNO“, wie er vor der Generalversammlung erklärte.

Abbas unter Druck

Der Druck wird in den kommenden Wochen deshalb vor allem auf Abbas lasten. Wenn er einknickt und nicht auf einem Siedlungsstopp besteht, verliert der Palästinenser-Präsident endgültig das Gesicht vor seinem Volk. Doch der 74Jährige scheint eine Art politischen Altersstarrsinn entwickelt zu haben und nicht mehr so leicht in die Knie zu gehen. Monatelang hatten die USA versucht, ihn mit allen möglichen Drohgebärden davon abzuhalten, im Sicherheitsrat einen Antrag auf Vollmitgliedschaft eines palästinensischen Staates zu stellen. Abbas aber beugte sich nicht.

Damit führte er die USA vor. In New York war der schwindende Einfluss der USA mit Händen zu greifen. US-Präsident Obama agierte defensiv. Im Nahost-Quartett ging die Initiative von der EU aus. Die Taktik der Palästinenser könnte es, die Öffentlichkeit in noch stärkerem Ausmaß als bisher zu mobilisieren. Dabei denkt Abbas offenbar auch an die Macht der Straße. Dieses Kalkül wird sich letztlich aber gegen ihn wenden. Wenn er wieder keine konkreten Ergebnisse vorweisen kann.

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