Putins Image: "Der Mann ist stark und wird mir helfen"

(c) EPA (ALEXEY DRUZHINYN)
  • Drucken

Igor Mintusow, Doyen des russischen Politmarketings, analysiert das Image von Russlands Premier Wladimir Putin. Putins Hauptbotschaft abseits seiner Persönlichkeit laute Stabilität, Stärke und Entschlossenheit.

Herr Mintusow, außerhalb Russlands werden die Bilder, die von Premierminister Wladimir Putin vermittelt werden, mit einer gewissen Verwunderung aufgenommen: Putin als Taucher, Hochseefischer, Jäger, Pilot, Biker und so weiter, und so fort. Anderswo würde diese Art der politischen Selbstvermarktung wohl nicht funktionieren...

Igor Mintusow: ...und warum nicht?

Wahrscheinlich, weil sie zu simpel gestrickt und damit für die Rezipienten sehr leicht zu durchschauen ist.

Sie behaupten also, die Menschen im Westen würden hochkomplexe und unklare Botschaften bevorzugen? Da wäre ich mir aber nicht so sicher. Doch was meinen Sie eigentlich mit „zu simpel gestrickt“?

Diese Fotos sind doch ein sehr transparenter Versuch, zu demonstrieren, dass Wladimir Putin männlich ist, alles im Griff hat und das Land führen kann. Kurz gesagt: Er ist ein Held. Ist das die Hauptbotschaft, die das politische Marketing in Russland transportieren muss, um erfolgreich zu sein?

Schauen Sie, Russland ist ein Entwicklungsland, was Wahlkampagnen und die Vermittlung von politischen Inhalten anbelangt. Wir hatten bis dato nur drei Präsidenten: Boris Jelzin, Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew. Für den durchschnittlichen Russen ist es nun einmal spannend, Putins nackten Torso zu sehen. Vergessen Sie bitte nicht, dass zu Zeiten der UdSSR niemand den Körper von, sagen wir einmal, KP-Chef Leonid Breschnew zu Gesicht bekam. Insofern hat das nach wie vor Neuigkeitswert, wenn die Person an der Staatsspitze Eigenmarketing betreibt.

Aber diese Strategie der politischen Kommunikation erinnert doch ein wenig an das absolutistische Motto „L'État, c'est moi“ des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Der Körper des Herrschers wird mit dem Staatskörper gleichgesetzt.

Netter Vergleich, aber in unserem Fall ein wenig übertrieben. Um ehrlich zu sein, finde ich die meisten Kampagnen im Westen Europas todlangweilig. Auf den Plakaten sieht man nichts anderes als Gesichter. Unbekannte, öde Gesichter. Nur die Begleittexte unterscheiden sich. Doch zurück zum Thema: Im Vergleich zum Westen ist die Vermarktung der Persönlichkeit eines Politikers in Russland viel wichtiger als sein Wahlprogramm. Oberstes Ziel ist es, dem russischen Wähler den Eindruck zu vermitteln, dass der Politiker ein netter Kerl ist, der stark ist, eine liebenswerte Familie hat– unter Umständen auch eine hübsche Geliebte, das ist seinem Image nicht abträglich. Dieser Durchschnittswähler muss sich denken: Der Mann ist stark und wird mir helfen. Deswegen will ich für ihn stimmen.

Gibt es abgesehen von Stärke und Sympathie noch andere Emotionen, die bei den bevorstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen in Russland besonders wichtig sind?

Natürlich, aber da müsste man weit ausholen. Kurz gesagt: Putins Hauptbotschaft abseits seiner Persönlichkeit lautet: Ich stehe für Stabilität. Und ich werde das Land in die richtige Richtung führen, denn ich bin stark und entschlossen. Sozusagen ein Mann der Tat. Und Putins Körper ist nur ein Teil dieser in Wirklichkeit nicht besonders komplizierten Strategie.

In der Europäischen Union macht die politische Klasse momentan eine veritable Identitätskrise durch. Es ist der Eindruck entstanden, dass die Politiker nichts gegen die Schuldenkrise unternehmen können. Gibt es etwas, was man in der EU hinsichtlich der politischen Vermarktung von Russland lernen könnte?

Es gilt, das emotionale Bild, das vermittelt werden soll, mit der aktuellen Situation abzustimmen. Das von Wladimir Putin momentan besetzte Image lautet: der Politiker als Vater – er ist streng, stark, bestraft die Bösen und belohnt die Guten. Es gibt aber auch die Variante des Politikers als verständnisvolle Mutter. Da lautet die Botschaft: 80 Prozent des Geschehens lassen sich nicht von mir beeinflussen, aber im Rahmen der verbleibenden 20 Prozent werde ich alles tun, um den Schwächsten zu helfen. Für Krisenzeiten ist das eine empfehlenswerte Strategie.

1958
Igor Mintusow wird in Kirow geboren.

1980
Abschluss des Studiums der Ökonomie in Moskau.

1992
Gründung der ersten russischen PR-Agentur „Nikkolo M“.

1996
Imageberater von Präsident Jelzin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Putin Angst misshandelten Ehefrau
Außenpolitik

Putin und die Angst der misshandelten Ehefrau

Medwedjew hat Putin am Samstag als Kandidaten für die Präsidentenwahlen 2012 verkündet. Aus Sorge vor der vermeintlichen Ungewissheit klammert sich ein Großteil der Bevölkerung an den Premier. Eine Analyse.
Außenpolitik

Wladimir Putin: Die Rückkehr des "Lider"

Der tosende Applaus seiner Anhänger ist ihm sicher: Russlands Premier Wladimir Putin wird 2012 für das Amt des Präsidenten kandidieren. Sein politischer Ziehsohn Dmitrij Medwedjew tritt zurück ins zweite Glied.
Leitartikel

Der falsche "Kerl" für Russland

Wladimir Putin reitet, wie nicht anders zu erwartet war, wieder in den Kreml ein. Das mag beim Volk durchaus ankommen, steht aber der nötigen Modernisierung des Landes im Weg.
Vladimir Putin, Dmitry Medvedev
Außenpolitik

Medwedjew schlägt Putin als seinen Nachfolger vor

Putins Rückkehr in den Kreml ist besiegelt: Russlands Präsident Dmitri Medwedjew schlug seinen Vorgänger am Samstag als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2012 vor.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.