In vielen europäischen Ländern können die Unis relativ autonom über die Höhe ihrer Gebühren entscheiden. Für die Universitäten kann das auch zusätzliche Konflikte bringen.
Wien. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Entwurf in der Schub lade verschwindet - wie einige andere - ist groß. Ein Punkt in dem neuen Studiengebühren-Vorschlag von Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) ist aber diskussionswürdig. Nicht die ideologisch strapazierte Frage, ob und inwiefern Gebühren sozial selektiv wirken. Sondern die Frage, ob es Sinn macht, wenn die Unis selbstständig Gebühren kassieren und (bis zu der anvisierten Obergrenze von 500 Euro pro Semester) autonom über deren Höhe bestimmen dürfen.
Ein Blick ins restliche Europa zeigt, dass dieses Modell jedenfalls nicht ungewöhnlich ist. Vor allem in osteuropäischen Staaten (Estland, Lettland, Rumänien), aber auch in Luxemburg können die Unis die Höhe der Gebühren völlig autonom ansetzen. In anderen Ländern (Belgien, Litauen) muss das Ministerium die von den Unis gewünschte Gebühr absegnen. In Staaten wie Italien, Portugal, England oder im benachbarten Bayern gilt das Modell, das auch Töchterle vorschwebt: Die Regierung setzt eine Obergrenze fest; inwieweit die Unis diese ausreizen, ist ihre Sache.
Für Minister Töchterle wäre das auch für Österreich eine zeitgemäße Neuregelung, die es den Unis ermöglicht, ihre Autonomie endlich auszuschöpfen. Viele Rektoren haben allerdings ihre Zweifel. Sie würden die ideologisch umstrittene Frage gern vom Staat gelöst sehen. Denn die Regierung delegiert mit der Regelung die Verantwortung an die Unis - wohl wissend, dass sich der Studentenzorn dann eher gegen die Rektoren wenden wird als gegen die Politik.
Konflikte an der Uni
Zweifellos würden sich die Unis mit der autonomen Einhebung von Gebühren Konflikte ins Haus holen. Ein Beispiel ist Nordrhein-Westfalen: Dort wurden Studiengebühren nach diesem Muster eingeführt (und mittlerweile von SPD, Grünen und Linker wieder abgeschafft). In Bielefeld wurde daraufhin das Auto des Rektors angezündet, anderswo fanden Uni-Sitzungen nur noch unter Polizeischutz statt. Ein gutes Beispiel ist die Uni Kassel: Dort wurde die Einführung der Gebühr mit verbindlichen Leistungsversprechen verknüpft, etwa mit besseren Betreuungsverhältnissen.
In der Tat nimmt das Modell die Unis in die Pflicht: Jede Hochschule muss ihre Studenten jedes Semester wieder davon überzeugen, dass Qualität und Studienbedingungen angemessene Gegenleistungen zur Gebühr darstellen. Damit das funktionieren kann, müssen die Unis allerdings erst einmal die Möglichkeit haben - und ausfinanziert sein. Sonst sind Konflikte programmiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2011)